Schweden

Viveca Lärn. Sommer auf Saltön (2003)

Saltön ist eine kleine Insel vor Göteborg, die Bewohner bereiten sich gerade auf das Mittsommerfest und die Touristensaison vor. Inselidylle? Weit gefehlt. Die Menschen scheinen hier besonders verschroben, jeder pflegt seine Macken und Antipathien und beobachtet seine Mitmenschen argwöhnisch. Und hält mit seiner Kritik auch nicht hinterm Berg. Traditionen und Gewohnheiten bestimmen das Leben. Zur Verständigung reicht oft eine Handvoll hingeworfener Worte, echte Unterhaltungen sind selten. Inselidylle? Höchstens für die Touristen, hinter den Kulissen sieht es anders aus.

Im Mittelpunkt der beiden Romane stehen Frauen, die ihr Leben ändern wollen: Sara hat mit Ende 20 ihren viele Jahre älteren Mann verloren und sucht auf der Insel einen Neuanfang. Emily ist unglücklich in ihrer Ehe und in ihrem zu dicken Körper, doch als verwöhntes Arzttöchterchen weiß sie auch mit Ende 40 noch nicht so recht, wie sie selber etwas ändern kann. Johanna beschließt mit Anfang 50, dass ihr Sohn jetzt alt genug sei, sodass sie auch noch einmal an sich selber denken kann. Die junge Kristina hat den älteren Fabrikanten M°ansson aus Berechnung geheiratet, doch als er anfängt sie zu schlagen, bringt sie sich in Sicherheit.

Sehr eigenwillig

Die beiden in diesem Buch vereinten Romane sind ähnlich eigenwillig wie die Menschen, die sie bevölkern: einen durchgängigen Erzählstrang findet man nur mühsam. Die meisten Handlungen scheinen spontan, für den Leser / die Leserin nicht wirklich nachvollziehbar, weil der Einblick in die Gedanken und / oder Gefühle der Figur fehlt. Reaktionen, die den Leser überraschen, weil sie so merkwürdig daherkommen. Aussagen, die man gelegentlich nur schwer deuten kann.

Veränderungen? Nicht wirklich

Den Rahmen all der Merkwürdigkeiten bildet das Inselleben, im ersten Teil die Vorbereitung auf den Mittsommerabend und seinen Touristenansturm, im zweiten Teil auf das Hummerfest zum Abschluss des Sommers. Endzwanzigerin Sara, eigentlich Lehrerin, arbeitet als Bedienung und beginnt eine Beziehung mit dem 70-jährigen Einsiedler McFie. Emily verlässt ihren Mann kurzzeitig, haust im Auto im Wald und genießt eine kurze Affäre mit einem Sommergast, der sich allerdings klammheimlich aus dem Staub macht. Johanna beginnt währenddessen voller Torschlusspanik eine Beziehung mit Emilys Mann, der allerdings nach Emilys Rückkehr versucht, zur alten Ordnung zurückzukehren. Doch das lassen weder Emily noch Johanna zu.

Sympathie Fehlanzeige

Wirklich sympathisch, zum Mitfühlen und Mitleiden, ist eigentlich keiner der Protagonisten. Alle sind eigensinnig und kratzbürstig, jeder versucht nur aggressiv, sein eigenes Leben zu verteidigen – Rücksicht, Mitgefühl, Zusammenhalt, Harmonie, all das sucht man vergeblich auf dieser Insel.

Charakterisierung? Erzählstrang?

Vielleicht hätte ein wenig Einblick in die Menschen und ihren Charakter Sympathien wecken können: Gedanken, Gefühle, Sorgen, Ängste. Doch das gibt es meiner Ansicht nach viel zu selten. Und wenn man als Leser schon meint, jetzt hätte man eine Figur ein wenig kennengelernt, agiert sie dann doch ganz anders als erwartet, ohne dass es aber irgendwie schlüssig wäre – oder besonders interessant. Und meist leider auch, ohne dass es dem Leser / der Leserin die Person sympathischer machen würde. Geschweige denn, dass es zu einer Art (Happy?) End führen würde.

Inselidylle? Nicht auf Saltön

In meinen Augen ein Buch so merkwürdig wie seine Protagonisten. Wenn das Leben auf der Insel so ist, voller sonderbarer und aggressiv egoistischer Menschen, die sich gegenseitig bei jeder Gelegenheit fertigmachen, und die trotz allen verzweifelten Strampelns und Tretens in ihren Vorurteilen und Gewohnheiten gefangen bleiben – wie konnte dann bloß der Mythos einer “Inselidylle” aufkommen? Als Leserin dieses Romans hätte ich mir ein wenig Sympathie und wenigstens kleine Inseln von Harmonie gewünscht.

Viveca Lärn. Sommer auf Saltön. Hamburg: Rowohlt Verlag, 2003. | Midsommarvals, 1999. Hummarfesten, 2000. Stockholm.

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