England, KrimiLiebe

Deborah Crombie. All Shall Be Well – Kincaid/James 2 (1994)

Als Superintendent Duncan Kincaid seine Nachbarin Jasmine Dent tot auffindet, sieht es auf den ersten Blick so aus, als sei die totkranke Frau einfach ein wenig früher verstorben als gedacht. Doch Kincaid hat Zweifel und ordnet eine Autopsie an: Eine Überdosis Morphium führte zum Tod. Doch hat Jasmine Dent selber ihrem Leiden ein Ende gesetzt oder hat jemand nachgeholfen? Und vor allem: Warum?

Aufgrund des Autopsie-Berichtes darf Kincaid ermitteln, natürlich mit der Unterstützung seines Sergeants, Gemma James. Dass es sich beim Opfer um eine gute Freundin Kincaids handelt, macht die Sache für ihn nicht einfach. Schon bei der Durchsuchung der Wohnung der Toten hat er eigentlich ein schlechtes Gewissen, in die Privatsphäre der eher verschlossenen Jasmine Dent einzudringen. Schlimmer noch ist es bei ihren Tagebüchern, doch sie könnten wichtige Erkenntnisse zum Mörder enthalten.

Dramatis personae

Die Verdächtigen in diesem Fall lassen sich an einer Hand abzählen: Margaret Bellamy, genannt Meg, eine junge, unscheinbare Frau, Ex-Kollegin von Jasmine Dent, die sich seit deren Erkrankung sehr um sie kümmerte. Megs Freund Roger Leveson-Gower, ein schrecklicher Snob, der Meg schlecht behandelt, aber trotzdem quasi von ihrem mageren Einkommen lebt. Theo Dent ist Jasmines Bruder, für den sie beinahe Mutterersatz war und den sie immer wieder großzügig finanziell unterstützte. Die Pflegerin Felicity Howarth kam jeden Tag zu Jasmine Dent, aber sie erhält beste Zeugnisse ihrer Patienten und ihrer Chefin und arbeitet sehr viel, weil sie das Pflegeheim für ihren behinderten Sohn finanzieren muss. Auch verdächtig ist der dritte Mitbewohner im Haus, der Major, der während seiner Dienstzeit in Indien Frau und Kind verloren hatte.

Ein Leben zwischen Indien und England

Kincaid und Gemma James rekonstruieren das Leben von Jasmine Dent, setzen Puzzlestücke zusammen aus den Eintragungen im Tagebuch und aus Gesprächen. Das Opfer wurde in Indien geboren, nach dem Tod des Vaters kamen die beiden Kinder zu ihrer Tante May nach England. Jasmine Dent arbeitet sich nach der Schulzeit hoch, ein “unpassender” Freund, danach geht sie nach London. Nichts Dramatisches …

Die Geschichte in Alles wird gut entfaltet sich langsam und gründlich. Beschreibungen der Räume und der Personen, Bemerkungen zu Landschaft und Wetter sorgen für Atmosphäre, die Überlegungen von Kincaid und James ermöglichen es dem Leser jederzeit, ihre Ermittlungen nachzuvollziehen.

Ermittler sind auch Menschen

Die Ermittler, Superintendent Duncan Kincaid und Sergeant Gemma James, sind bei Deborah Crombie auch Menschen, das Privatleben der beiden, ihre Gefühle und Gedanken werden nicht völlig ausgespart. Schon dadurch, dass es sich beim Opfer dieses Krimis um eine Nachbarin von Kincaid handelt, liegt der Blick ins Private des Ermittlers nahe: Seine Wohnung wird ein wenig beschrieben, die Beziehung zur Nachbarin dient nebenbei seiner Charakterisierung, er adoptiert ihre Katze, obwohl er eigentlich keine Beziehung zu Tieren hat, er nimmt Anteil an den Sorgen seines Sergeants.

Die Protagonistin als Sympathieträger

Gemma James hat finanzielle Schwierigkeiten, nachdem der Vater ihres kleinen Sohnes untergetaucht ist. Alleine kann sie weder das Darlehen für das kleine Haus noch die hohen Kosten für die Kinderbetreuung tragen. In Alles wird gut wird einmal sogar von einem Besuch bei ihren Eltern erzählt, der mit dem Fall nun gar nichts mehr zu tun hat – aber das bleibt die Ausnahme. Es hilft dem Leser allerdings sehr dabei, den Menschen Gemma besser kennenzulernen und die Sympathien des Lesers zu wecken bzw. zu verstärken, was für eine Serie nicht gerade ein Nachteil ist.

Interessanter Fall mit Charakteren und Lokalkolorit

Viele Krimileser mögen es gar nicht, wenn Privates der Ermittler ausgebreitet wird – für diese Leser sind die Krimis von Deborah Crombie nicht geeignet. Auch nicht für die ungeduldigen Leser, die in einem Krimi nur action und thrill suchen. Doch wer einen logisch konstruierten, interessanten und einfühlsam erzählten Fall sucht und dabei in eine sehr englische Welt eintauchen will, wer darüber hinaus über Menschen lesen will, die vor seinen Augen immer lebendiger werden, der ist in dieser Serie sehr gut aufgehoben.

In diesem zweiten Band der Serie ist die Erzähltechnik von Crombie noch nicht so ausgreift wie in späteren Bänden, der Fall ist vergleichsweise simpel, Psychologie und Charakterisierungen nehmen noch keinen so goßen Raum ein. Doch Alles wird gut ist auf jeden Fall ein guter Krimi der “ruhigeren Sorte” mit interessanten Menschen und viel englischem Lokalkolorit.

Deborah Crombie. All Shall Be Well. New York: Avon, 1994. | Alles wird gut. München: Goldmann, 1995. (Kincaid/James 2)

Mehr zur Autorin und ihrer Serie auf der Autorenseite Deborah Crombie.

2 Gedanken zu „Deborah Crombie. All Shall Be Well – Kincaid/James 2 (1994)“

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