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Margaret Atwood. The Handmaid’s Tale (1985)

Offred berichtet aus ihrem Leben als Magd in der Republik Gilead – so unspektakulär ihr Alltag ist, hält man als Leser doch oft den Atem an, liest gebannt von der gesellschaftlichen Ordnung in Gilead. Das ist auf eine stille Art ungemein spannend und bedrückend, heute genauso wie im Erscheinungsjahr 1985.

Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft gibt es in den USA einen gewaltsamen Umsturz: Der Präsident und alle Kongressmitglieder werden ermordet, die Verfassung außer Kraft gesetzt. Die „Söhne Jakobs“ übernehmen die Herrschaft und errichten eine christlich-fundamentalistische Regierung, die mit strengen Regeln und grausamen Strafen die erwünschte Gesellschaftsform durchsetzt.

Rolle der Frau

The Handmaid’s Tale konzentriert sich stark auf die Rolle der Frau in der neuen Gesellschaft: Diese ist genauestens festgelegt, eine Wahl haben die Frauen nicht mehr, auch keine weitere Aufgabe als die Produktion von Nachwuchs. Da aufgrund diverser Unfälle in der jüngsten Vergangenheit viele Ehefrauen unfruchtbar sind, ist es jetzt die Aufgabe der „Mägde“ (im Original: Handmaids) für Nachwuchs zu sorgen. Dazu werden sie für jeweils ein Jahr einem „Kommandanten“ zugeordnet, leben in seinem Haushalt, tragen seinen Namen, verachtet von Ehefrauen und „Marthas“ (Dienstboten).

Offred

Ebendiese Rolle spielt auch Offred, die Protagonistin in Atwoods Roman. Sie ist die Magd des Fred, daher ihr Name. Ihren richtigen Namen erfährt der Leser nicht, obwohl er sie eine Zeit lang durch ihre Tage und ihre Gedanken begleiten darf. Diese sind vor allem bestimmt durch ihre Einsamkeit, denn Gespräche sind nicht erlaubt, lesen ist schon lange verboten, von Hobbys kann keine Rede sein. So verbringt Offred viel Zeit damit, ihre Umgebung zu beobachten und den schmerzlichen Erinnerungen an ihren Mann und ihre kleine Tochter nachzuhängen. Bei einem Fluchtversuch wurde die Familie getrennt, die Ungewissheit quält die Mutter und jedes Mal erwartet sie, ihren Mann Luke an der „Wand“ bei den Gehenkten zu finden.

Kommandant Fred

Ihr Kommandant lädt Offred heimlich in sein Arbeitszimmer ein und macht mit ihr verbotene Dinge: Scrabble spielen, Zeitschriften und Bücher lesen lassen, reden. Ein solcher Kontakt ist eigentlich streng verboten, doch als Magd kann Offred nur gehorchen. Später findet sie v.a. Gefallen an der Abwechslung, an den Blicken über ihren eingeschränkten Magd-Horizont hinaus. Sex gibt es bei diesen Treffen nicht, der bleibt dem vorgeschriebenen Ritual vorbehalten. Doch auch nach einigen Monaten wird Offred noch nicht schwanger. Die Ehefrau ihres Kommandanten, Serena Joy, arrangiert deshalb heimliche Treffen mit Nick, dem „Wächter-Chauffeur“ der Familie. Erst nur gehorsam, bedeuten die Nächte mit Nick bald mehr für Offred – eine Liebesgeschichte wird es trotzdem nicht.

Im Bereich des Möglichen

Offreds Perspektive ist ziemlich auf den eigenen Kommandanten-Haushalt beschränkt, auf die Leere ihrer Tage, auf ihre Gedanken und die Beobachtung und Deutungsversuche von Alltäglichkeiten. So gesehen ist Atwoods Roman ein sehr ruhiger, in dem mehr im Inneren passiert als im Äußeren. Doch das betont ganz besonders gut die perfide Gesellschaftsordnung, die Maschinerie von Gewalt und Unterdrückung, in der jeder jeden beobachtet, immer auf der Hut vor einem „Eye“, einem Spion. Die Rolle der Frau, der mit dem Staatsstreich jedes Recht am eigenen Leben und am eigenen Körper genommen wurde, hat sich besonders extrem verändert – und doch, und das ist das Herausragende an diesem Roman, gab und gibt es das alles schon, irgendwann und irgendwo. Das von Atwood entworfene Szenario scheint also durchaus möglich und gerade das macht Offreds Erzählung so bedrückend.

Persönliche Leseerfahrung

Auch fast 35 Jahre nach seinem Erscheinen schafft Der Report der Magd es mühelos, die gleiche Wirkung zu entfalten wie früher. Für mich war es tatsächlich ein interessanter Vergleich: Damals, am Anfang meines Studiums, hat mich der Roman total in seinen Bann geschlagen, fasziniert von Inhalt und Stil gleichermaßen. Große Literatur und dabei auch noch unglaublich spannend, das gibt es nicht so häufig. Und jetzt gelang es diesem großartigen Werk genauso noch einmal. Meiner Ansicht nach kann man Margaret Atwood gar nicht genug loben für diese Dystopie – und natürlich auch für die Fortsetzung The Testaments / Die Zeuginnen!

Auszeichnungen

  • Governor General’s Award for English language fiction (1985)
  • Arthur C. Clarke Award (1987)

Nominiert war The Handmaid’s Tale für folgende Preise:

  • Booker Prize (Shortlist)
  • Nebula Award (Shortlist)
  • Prometheus Award

Margaret Atwood. The Handmaid’s Tale. Toronto: McClelland & Stewart, 1985. | Der Report der Magd. Düsseldorf: Claassen, 1987.

Mehr zur Autorin und ihren Publikationen auf der Autorenseite Margaret Atwood.

3 Gedanken zu „Margaret Atwood. The Handmaid’s Tale (1985)“

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