Anna Freedmans Ein letzter Sommer in Sa Costa auf LiteraturLese.de
Spanien

Anna Freedman. Ein letzter Sommer in Sa Costa (2005)

Laurie Vale besucht kurz nach dem Tod der Mutter ihren Vater Bill in seinem kleinen Häuschen. Gerade hat die junge Künstlerin erfahren, dass sie aus ihrer Wohnung ausziehen muss, der Erfolg und damit materielle Sicherheit lassen weiter auf sich warten. Wie man es so macht, nimmt sie bei ihrem Vater das Telefon ab, als dieser nicht kann – am anderen Ende ist Rachel, die Schwester ihres Vaters. Eine Schwester, die ihr Vater niemals erwähnt hat.

Die Frage ist gestellt, der Spannungbogen begonnen: Wie konnte es daazu kommen, dass Lauries vernünftiger Vater die Existenz seiner Schwester komplett leugnet? Die Antwort findet sich im zweiten Handlungsstrang, der fünfzig Jahre früher spielt: Bill und seine Schwester Rachel leben mit ihrer Mutter in der kleinen englischen Stadt Stepmouth. Das Schicksal hat sie schon arg gebeutelt, sie haben ihren Vater unter dramatischen Umständen verloren. Da darf es nicht sein, dass Rachel sich ausgerechnet in Tony Glover verliebt.

Laurie will ihre Familie kennenlernen

Die beiden Handlungsstränge erzählen nun, kapitelweise abwechselnd, die Geschichte der Familie Vale. In der Gegenwart steht Laurie im Mittelpunkt: sie beschließt, trotz der heftigen Proteste ihres Vaters zur Beerdigung ihres unbekannten Onkels Tony zu gehen und die Familie kennenzulernen. Dabei stellt sich heraus, dass nicht alle Familienmitglieder Fremde für sie sind. Der Mann von Rachels Enkelin Claire ist Sam Delamere, Lauries große Liebe, die sie vor einigen Jahren im Urlaub gefunden – und gleich darauf wieder verloren hatte. Warum? Diese Frage beschäftigt Laurie immer noch – leidliche Spannung für den Gegenwartsstrang.

Laurie und Sam

Sam leitet auf Mallorca die Firma von Rachel und dem verstorbenen Tony. Von der ehemaligen Beziehung ahnt Rachel nichts, als sie ihre Nichte Laurie einlädt, einige Wochen in ihrem luxuriösen Haus auf Mallorca zu wohnen und zu arbeiten. Laurie kann der Versuchung nicht widerstehen und findet natürlich auch heraus, warum Sam sie damals verlassen hatte. Beide zieren sich angemessen, aber die Liebe scheint immer noch zu existieren. Doch wäre das nicht ein fürchterlicher Betrug an Lauries neu gefundener Familie?

Liebe gegen familiäre Widerstände

Zwei Handlungsstränge über die Macht der Liebe, die sich nicht anpassen will, in zwei verschiedenen Generationen. Während die Gegenwart auf nette, unterhaltsame Weise etliche Klischees aneinander reiht, ist es die Vergangenheit, die wirklich fesselt. Die dramatischen Ereignisse in Stepmouth vor fünfzig Jahren sind sehr detailreich, anschaulich und spannend erzählt. Die Gegenwart allerdings ist in mallorquinischer Hitze eher flach, eine Allerweltsstory beinahe, die das Gesamturteil leider herunterzieht. Die Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart sind zwar eine gute Idee, aber die Handlung um Laurie bleibt einfach zu nah an allen Klischees des “modernen Liebesromans” und kommt so trotz aller Bemühungen Freedmans nicht an das Niveau der Stepmouth-Handlung heran.

Qualitätsunterschiede

Anna Freedmans Ein letzter Sommer in Sa Costa auf LiteraturLese.de

Diese Diskrepanz ist das einzige, was die Lektüre stört: man muss quasi von Kapitel zu Kapitel in ein anderes Genre umschalten. Andererseits mag dieser Kontrast für manche Leser(innen) durchaus einen besonderen Reiz haben. Für mich war es vor allem bedauerlich, dass es Freedman nicht gelungen ist, die Gegenwarts-Handlung auf demselben Niveau zu schreiben. Das hätte einen herausragenden Roman geben können. So ist es aber immer noch eine sehr schöne Lektüre, spannend, unterhaltsam, eine Familiengeschichte, in der man über 540 Taschenbuch-Seiten sehr gut versinken kann.

Anna Freedman. 2004. Ein letzter Sommer in Sa Costa. Paperback: Rowohlt 2005. | We Are Family. Heinemann, London, 2004.

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