Frankreich, Krimi

Benjamin Cors. Küstenstrich – Nicolas Guerlain 2 (2016)

Der Krimi beginnt zwei Jahre zuvor im „Dschungel“ – der Leser begleitet die zwölfjährige Zorah auf ihrem Streifzug durch das Flüchtlingscamp bei Calais, just an dem Tag, an dem das Lager geräumt wird. Heute ist die Polizei in Deauville auf der Suche nach einem Bordellbetreiber, der irgendwelche krummen Dinger dreht. Titelfigur Nicolas Guerlain soll den lokalen Adeligen vor Morddrohungen schützen. Und irgendwie hängt das vermutlich alles zusammen …

Nachdem Nicolas Guerlain ein halbes Jahr zuvor während seiner Arbeit als Personenschützer Mist gebaut hat, hat sein Chef beschlossen, dass es jetzt für Guerlain an der Zeit ist, den von oben verordneten Krankenstand zu beenden. Ein halb offizieller Auftrag soll einen sanften Einstieg bieten: Comte Aristide de Tancarville, ein Freund des Ministers Francois Faure, erhält anonyme Morddrohungen. Deshalb hat Faure seinen eigenen Personenschutz angewiesen, den Comte zu beschützen. Da das nicht so ganz offiziell passieren kann, scheint Guerlain der richtige Mann für den Job.

Traumata

Allerdings hat der intelligente junge Mann immer noch schwer am Misserfolg seiner letzten Mission zu knabbern, vor allem aber am spurlosen Verschwinden seiner Freundin Julie, mit der er seit der gemeinsamen Schulzeit zusammen war. Psychisch scheint Guerlain nicht sehr stabil, trotzdem nimmt er die Herausforderung an. Auch wenn er weiß, dass er in seiner alten Heimat Deauville vermutlich nicht von allen gerne gesehen ist.

Ein totes Mädchen

Zum Beispiel nicht von Luc Roussel, der gerade vertretungsweise die lokale Polizeistation leitet. Dass er sich als Chef gerade nicht beliebt macht, ist Roussel völlig egal. Er plant die nächste Razzia in einem nahe gelegenen Bordell, er ist sicher, dass dort nicht alles legal zugeht. Als er Hinweise bekommt, dass der Besitzer vor dem Haus mit einem sehr jungen Mädchen gesehen wurde, eilt es plötzlich: eine Minderjährige in dem Haus gäbe eine ernst zu nehmende Anklage. Doch bei der Razzia finden die Polizisten zwar – gut versteckt – Hinweise auf Kinder, das Mädchen aber nur noch tot in einem Hinterhof.

Ein Hund

Unterdessen entdeckt Guerlain kurz vor seiner Ankunft einen Toten, der von der Pont de Normandie hängt – ein Unbekannter zunächst. Aber warum diese auffällige Zurschaustellung? Mithilfe eines Hundes kann Guerlain die Identität des Toten klären – allerdings hat er den Comte im Verdacht, hier und auch im Bordell seine Finger im Spiel zu haben. Beschützen muss er ihn bis zum großen Empfang, für den seine Ermordung angekündigt ist, trotzdem. Doch immerhin bietet das auch eine gute Gelegenheit, den Comte aus nächster Nähe im Auge zu behalten.

Stimmig

Ja, ein wenig bizarr ist Guerlain auf jeden Fall drauf, aber eben auch ein guter Beobachter und sehr clever. Da passt es auch, dass dieser Krimi nicht immer gradlinig und chronologisch erzählt wird, dass nicht immer so klar ist, wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört, dass gerade solche Nebenfiguren unerwartet detailliert und liebevoll gezeichnet werden, die sonst kaum Erwähnung finden würden, dass der Täter am Ende – nein, das verrate ich natürlich nicht. Aber passen tut es irgendwie auch.

Eigenwillig

Am Anfang des Krimis hat mich die Hin- und Herspringerei zwischen Orten und Zeiten irritiert, beim ersten Erscheinen Guerlains – ausgerechnet während eines Besuchs bei seinem Psychiater – folgt der Leser den Gedanken und Fantasien des Mannes statt dem reinen Geschehen … Danach wird es zwar ein wenig ruhiger, aber gradlinig simpel wird es trotzdem nicht, was natürlich vor allem an der Figur des Nicolas Guerlain liegt, der ungewöhnliche und vor allem seine eigenen Wege bevorzugt, die häufig auch etwas Eulenspiegelhaftes haben.

Spannend

Dass das Setting in Deauville und Honfleur seinen Anteil daran hat, dass mir der Krimi Spaß machte, kann ich nicht bestreiten. Aber er ist eben auch etwas ungewöhnlich erzählt und die Figur des Guerlain gefiel mir auf Anhieb, mit seiner Intelligenz, seinem Eigensinn, auch mit seinen Macken. Und dann ist die ganze Story auch sehr spannend erzählt, sodass es einfach Spaß macht, diesen Krimi zu lesen.

Benjamin Cors. Küstenstrich. Ein Normandie-Krimi. München: dtv, 2016. (Nicolas Guerlain 2)

Mehr zum Autor und zu seiner Krimiserie auf der Autorenseite Benjamin Cors.

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