Deutschland, Historisch

Hanni Münzer. Honigtot (2015)

Schon bevor Honigtot im Piper Verlag in gedruckter Form erschien, war der Roman als E-Book via Kindle Direct Publishing ein Jahr lang ein Renner und wurde hoch gelobt. Und auch das Taschenbuch schaffte es auf die Spiegel-Bestseller-Liste. Hanni Münzer ist es in ihrem spannenden historischen Roman tatsächlich gelungen, ihren Leser(inne)n die Nazizeit noch einmal aus einem anderen Blickwinkel nahezubringen.

Die junge Felicity macht sich auf die Suche nach ihrer Mutter Martha. Sie ist verschwunden, kurz nachdem sie das Zimmer ihrer gerade verstorbenen Mutter Deborah ausräumen wollte. Felicity folgt ihr aus den USA nach Rom, wo Martha ihr von Aufzeichnungen auf Hebräisch erzählt, die sie neben anderen Unterlagen im Zimmer ihrer Mutter gefunden hatte. Die Übersetzung dieser Aufzeichnungen macht den Hauptteil des Romans aus, Felicity lernt viel über die Jugend ihrer Großmutter und auch Martha erfährt endlich, wer ihr Vater ist.

Die bekannte Opernsängerin

Und der Leser erhält eine spannende Geschichte aus der Zeit des Nationalsozialismus. Auch wenn der Anfang sich zwar gefällig liest, aber noch nicht besonders originell ist: Opernsängerin Elisabeth Malpran führt in München eine glückliche Ehe mit ihrem Mann Gustav, einem jüdischen Arzt, während die Nationalsozialisten für Aufruhr sorgen und das Leben immer stärker von ihnen bestimmt wird. Die Familie wartet zu lange mit der Emigration, als sie schließlich ihre Flucht versuchen, geht diese schief und Gustav verschwindet spurlos. Elisabeth macht sich auf in die Höhle des Löwen nach Berlin, um einen einflussreichen Gönner zu bewegen, nach ihrem Mann suchen zu lassen.

Der Beschützer

In Berlin begegnet Elisabeth Albrecht Brunnmann, gutaussehend, aber kalt, ein hoher Funktionär in der Partei mit undurchsichtigen, aber scheinbar enorm wichtigen Aufgaben. Elisabeth ignoriert ihn, doch verprellen kann sie ihn nicht, als er sie immer wieder einlädt und ihr und ihren beiden Kindern, Deborah und Wolfgang, hilft. Dass ihre Kinder als „Halbjuden“ stets in Gefahr schweben, ist Elisabeth bewusst und vielleicht einer der Gründe, dass sie ihren Beschützer schließlich heiratet. Ihre Gesundheit verschlechtert sich allerdings zunehmend, bis sie schließlich stirbt und damit die Kinder in der Obhut Brunnmanns bleiben.

Zerstörerische Affäre

Deborah hat von ihrer Mutter das musikalische Talent und die Schönheit geerbt, dass sie erst 17 ist, lockt den „Stiefvater“. Ihr gegenüber zeigt er sich als Mann von Welt, nimmt sie mit auf Reisen ins Ausland, macht ihr teure Geschenke und erreicht so schnell sein Ziel. Die Affäre der beiden – wenn man es denn so nennen kann – hat nichts Romantisches an sich, beide bedienen sich aneinander, der Sex scheint brutal und zerstörerisch zu sein. Schlimm ist für Deborah allerdings, dass ihr Geliebter sich weigert, etwas gegen die Übergriffe gegen Juden zu unternehmen, dass er schließlich droht, ihren Bruder abholen zu lassen, sollte sie sich nicht seinen Wünschen fügen.

Marlene und der Widerstand

Erst als Deborah auf der Reise Marlene kennenlernt, die Geliebte eines anderen hohen Tieres, beginnt sie nach und nach die Masken zu durchschauen und sie begreift das Ausmaß der Grausamkeiten. Marlene ist im Widerstand aktiv und Deborah zögert nicht, sich ihr anzuschließen, wobei ihr Temperament so manches Mal mit ihr durchzugehen droht…

Spannender Schmöker

Alles in allem ein wirklich spannender Schmöker, wobei allerdings zeitweise Liebe, Lust und Leidenschaft so weit in den Vordergrund rücken, dass Nazideutschland Gefahr läuft, zu einem beliebigen konfliktbeladenen Diktatur-Hintergrund zu verblassen. Doch im Allgemeinen erzählt Hanni Münzer sehr detailreich von den besonderen Härten der Zeit, sodass für den Leser – vermutlich überwiegend die Leserin – das „Dritte Reich“ sehr lebendig wird.

Hanni Münzer. Honigtot. München: Piper, 2015.

Die Fortsetzung ist unter dem Titel Marlene 2016 erschienen.

Ein Gedanke zu „Hanni Münzer. Honigtot (2015)“

  1. Ich habe beide Bücher gelesen.
    Marlene und Honigtot.
    Nie wieder habe ich seitdem etwas gelesen, was auch nur annähernd so schrecklich grausam war, so ungemein liebevoll und zärtlich, intensiv gefühlt bis ins kleinste Detail.
    Ich muss mich dringend von einigen meiner geliebten Buchstaben trennen, ich habe einfach keinen Platz mehr für meine Bücher. Aber niemals von Marlene und Honigtot. Einer meiner ganz großen Schätze. Ungemein wertvoll.
    Ich danke Ihnen vielmals, liebe Hanni Münzer.
    Viele liebe Grüße aus dem Ländle:-)

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