Frankreich

Kristin Hannah. Die Nachtigall (2016)

Ein Schmöker aus dem von Deutschen besetzten Frankreich, eine Geschichte von zwei Schwestern, die jede auf ihre Weise mit der Besetzung umgehen. Spannend und stellenweise dramatisch, stellenweise kitschig – und die Übersetzung hätte noch mal redigiert werden sollen.

Carriveau, ein verschlafenes Städtchen an der Loire. Hier lebt Vianne mit Ehemann Antoine und der kleinen Tochter Sophie im Haus ihres Vaters ein kleines glückliches Leben. Bis der Zweite Weltkrieg heraufzieht, Antoine einberufen wird und nicht lange danach die Deutschen das Städtchen besetzen. Vianne arbeitet als Lehrerin und versucht, sich mit der Situation zu arrangieren, um ihre Tochter zu schützen.

La rossignol

Viannes jüngere Schwester Isabelle, mit Nachnamen Rossignol, d.h. Nachtigall, ist die Aufmüpfigere der beiden. Sie sagt, was sie denkt, ist bereits aus zahlreichen Internaten geflogen oder abgehauen. Vater Julien lebt in Paris, aber seit dem frühen Tod seiner Frau wollte er auch von seinen Töchtern nichts mehr wissen, sie sollten in Carriveau leben. Auch das kann Isabelle nicht akzeptieren … Als die Deutschen Paris besetzen, flüchtet Isabelle mit Tausenden anderen aus der Stadt. Eine erste dramatische Flucht, die Flüchtlinge werden bombardiert und Isabelle entschließt sich zu kämpfen.

Schwestern

Zunächst allerdings landet Isabelle bei Vianne in Carriveau, die will von Kampf oder Widerstand nichts wissen. Als der deutsche Hauptmann Beck bei ihnen einquartiert wird, fällt es Isabelle schwer, den Mund zu halten, während Vianne aus Angst und eigentlich wider Willen beinahe zur Kollaborateurin wird. Immerhin gehört Beck zu den Netten, gibt von seinem Proviant ab, warnt Vianne sogar. Denn ihre beste Freundin Rachel ist Jüdin …

Fluchtwege

Beinahe durch Zufall findet Isabelle Kontakt zu einer kleinen Gruppe Widerständler in Carriveau, erst verteilt sie Flugblätter, schließlich geht sie nach Paris, sie will mehr tun. Schließlich bringt sie Piloten der Alliierten nach Spanien, zu Fuß über die Pyrenäen, eine Fluchtroute mit verschiedenen Stationen, mit Helfern, mit einem ganzen Netz an Widerstand. Die Route der Nachtigall. Natürlich werden die Nazis auf diese Route aufmerksam und jagen die Nachtigall …

Distanziert

Nach all den begeisterten Besprechungen auf Blogs war der Anfang des Romans für mich eher enttäuschend: Ja, es ist Krieg, natürlich ist das schlimm – aber es passierte nichts, was nicht in vielen anderen Romane bereits passiert war. Es gab keine neuen Aspekte, keine besonderen Gedanken oder Empfindungen. Im Gegenteil schienen die Geschehnisse eher distanziert beschrieben, manchmal sogar ein wenig ungelenk – was aber vermutlich der Übersetzung geschuldet ist. Wenn aber sogar die Namen der Töchter verwechselt werden, wird es ärgerlich.

Spannende Geschichtsstunde

Im Verlauf der Geschichte nimmt die Dramatik dann zu, vielleicht ist hier die Distanz auch gut, um als Leser nicht zu sehr unter den Ereignissen zu leiden, nicht zu sehr mit zu fühlen bei Brutalitäten und Verlusten.

Kristin Hannah erzählt eine spannende Geschichte aus einer düsteren Zeit europäischer Geschichte, aber meiner Ansicht nach hat sie die Chance verpasst, ein bedeutendes Buch daraus zu machen, indem sie zu sehr an der Oberfläche geblieben und zu häufig in Klischees von Krieg, Grausamkeit und Leid stecken geblieben ist. Eine gut lesbare und spannende Geschichtsstunde zur deutschen Besatzung ist der Roman allemal.

Kristin Hannah. Die Nachtigall. Berlin: Aufbau Verlag, 2016. | The Nightingale. New York: St. Martin’s Press, 2015. Übersetzung Karolina Fell.

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