Krimi, Spanien

Alicia Giménez Bartlett. Die stumme Braut – Petra Delicado 8 (2011)

Petra Delicado, Inspectora bei der Polizei in Barcelona, ermittelt im Fall eines ermordeten Mönchs und einer verschwundenen Mumie. Die Spuren scheinen weit in die katalanische Geschichte zu führen und werfen auch Fragen nach der Zeitgemäßheit von Kirche und Klosterleben auf. Und ganz nebenbei auch zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie …

Im Kloster des Herz-Jesu-Ordens in Barcelona wird ein Mönch ermordet, der den dort aufbewahrten mumifizierten Heiligen untersuchen sollte, und die Mumie ist gestohlen. Die Oberin des Klosters, Schwester Guillermina, sorgt dafür, dass Petra Delicado den Fall untersucht und möchte auch gerne weiterhin das Sagen haben in ihrer kleinen Welt – was Petra Delicado natürlich auf die Palme bringt, denn auch das Kloster steht nicht außerhalb des Gesetzes, wenn auch vielleicht außerhalb der aktuellen spanischen Realität. So jedenfalls kommt es Delicado und Subinspector Fermín Gárzon vor.

Das Motiv?

Vielleicht deshalb tappen die beiden lange im Dunkeln und geraten zunehmend unter Druck. Vor allem der neue Pressesprecher der Polizei nervt, aber die Presse stürzt sich auf den Fall der entführten Reliquie. Doch alle Spuren scheinen zunächst in die Vergangenheit zu führen: Vielleicht war die Mumie nicht echt? Vielleicht wollte sich jemand rächen? Es scheint einen Zusammenhang mit der „Tragischen Woche“ zu geben, in der Anfang des 20. Jahrhunderts viele Klöster und Kirchen in Barcelona niedergebrannt wurden. Der reiche Sponsor des Klosters taucht in diesem Zusammenhang auf. Als Einzelteile der Mumie auftauchen, nimmt der Druck natürlich weiter zu.

Stagnation

Ein bisschen wirkt es, als stocherten Delicado und Garzón im Dunkeln herum, die historischen Nachforschungen müssen sie Profis aus dem Kloster überlassen und sonst scheinen sie nicht viel machen zu können. Der Druck und auch Delicados Reizbarkeit steigen. Doch ohnehin nimmt die Inspectora kein Blatt vor den Mund, sie sagt, was sie denkt und das ist weder bequem noch macht es ihr viele Freunde. Als Leser allerdings kann man den Schlagabtausch mit dem Subinspector oder mit der Mutter Oberin genießen.

Leben im Zusammenhang

Im Unterschied zu vielen anderen Krimis denkt Delicado tatsächlich. In diesem Band sind ihre Themen die Zustände in Spanien, das Verhältnis der Spanier zu ihrem Glauben und den Klöstern, die Delicado als Anachronismus erscheinen, und ihr privates, neues Leben. Denn vor Kurzem hat sie zum dritten Mal geheiratet und ihr Mann Marcos hat aus seinen beiden früheren Ehen vier Kinder, die immer wieder Zeit bei ihnen verbringen. Für Delicado eine echte Herausforderung und Anlass zu einigem Nachdenken darüber, wie viel von ihrem Beruf sie den Kindern verraten darf, wie sie mit ihnen überhaupt umgehen sollte, verstellen kann sie sich allerdings nicht mal ihnen zuliebe. Der zunehmende berufliche Druck lässt sich auch nicht gut mit dem neuen Eheleben kombinieren, es gibt Streit und Kompromisse sind gefragt… Doch trotz allem verbiegt sich die Inspectora nie, sondern bleibt sich auch bei Widerständen treu.

Die banale Lösung des Rätsels

Die Auflösung des Mordfalles kommt schließlich eher überraschend und nach allen intensiven Forschungen fast ein wenig banal. Doch während der Ermittlungen hat uns Giménez Bartlett intelligent ein Bild der spanischen Gesellschaft gezeichnet, mithilfe ihrer zwar nicht immer sympathischen, aber unbedingt charakterstarken Ermittlerin Petra Delicado. Und irgenwie passt die banale Lösung des Rätsels dann doch genau zu Delicados Ansicht, dass auch Klöster keine von der Realität unabhängige Welt mehr darstellen.

Fazit: Ein ruhiger Krimi ohne Action, dafür intelligent mit vielen philosophischen, soziologischen, gesellschaftskritischen Überlegungen und einem guten Einblick in die spanische Gesellschaft.

Alicia Giménez Bartlett. Die stumme Braut. München: Piper, 2011. | El silencio de los Claustros. 2009. (Petra Delicado 8)

Mehr zur Autorin und ihren Werken auf der Autorenseite Alicia Giménez Bartlett.

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