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Jane Austen. Emma (1815)

Emma Woodhouse ist eine junge Dame der ländlichen gehobenen Kreise in England. Um sich zu beschäftigen, setzt sie sich in den Kopf, die noch jüngere Harriet Smith zu verheiraten. In heftiger Selbstüberschätzung richtet sie dabei etliches Unheil an. Ein wichtiges Werk der Weltliteratur, in der Neuübersetzung von Helga Schulz auch hervorragend lesbar.

Mit Anfang 20 findet sich Emma alleine mit ihrem Vater (natürlich plus Dienstboten, die aber so selbstverständlich sind, dass sie meistens nicht einmal erwähnt werden) in ihrem Herrenhaus wieder. Ihre ältere Schwester ist längst verheiratet mit Anwalt John Knightley und lebt in London. Vor Kurzem erst hat ihre Gouvernante, Miss Taylor, einen reichen Witwer geehelicht, man verkehrt jetzt auf derselben Ebene, jedenfalls beinahe.

Hobby: Ehestiften

Die Hochzeit von Miss Taylor rechnet sich Emma an, sie habe Talent zum Ehestiften, stellt sie fest. Und macht sich auf die Suche nach ihrer nächsten Kandidatin. Die findet sich in der 17-jährigen Harriet Smith, eine uneheliche Tochter, die im Pensionat lebt. Emma erwählt sie als Gefährtin, man geht gemeinsam spazieren, und ein geeigneter Ehemann scheint in Gestalt des Pfarrer Mr. Elton bereits durch Highbury zu spazieren. Unternehmungen zu dritt und die gerade so modernen Scharaden interpretiert Emma so, wie sie es gerne hätte: Als steigendes Interesse des jungen Mannes an Harriet. Doch das erweist sich als Irrtum, denn Mr. Elton erklärt schließlich Emma seine Liebe! Das kommt gar nicht infrage, aber Emma macht sich jetzt doch Vorwürfe, dass sie Harriet eine andere Heirat ausgeredet hatte.

Ablenkungen

Emmas Schwager, Mr. Knightley, der ebenfalls im Haus aus und ein geht, hatte Emma zwar gewarnt, aber das hat sie überheblich ignoriert. Mr. Elton macht sich nach diesem Fiasko auf nach Bath und Emma findet Ablenkung in neuer Gesellschaft: zum einen der Stiefsohn Frank ihrer ehemaligen Miss Taylor und zum anderen Jane Fairfax, Nichte der redseligen Miss Bates. Sie und ihre Mutter sind zwar verarmt, gehören aber immer noch zum Kreis der akzeptablen – und hier auf dem Lande nicht sehr großen – Gesellschaft.

Frank scheint heftig mit Emma zu flirten, was seine Eltern ausgesprochen gerne sehen. Doch nach und nach kann Emma sich davon überzeugen, dass das nur ein Spiel ist, dass er eigentlich Harriet meint. Während Harriet dann allerdings ein Auge auf Mr. Knightley wirft, worauf Emma aber überraschend eifersüchtig reagiert. Die Gesellschaft trifft sich zum Dinner, macht Ausflüge und organisiert einen Ball. Mr. Elton kehrt aus Bath mit einer Ehefrau wieder, die von sich fast noch mehr eingenommen ist als Emma.

Klassisches Happy End

Das Happy End ist klassisch: Emma bekommt den weisen Mr. Knightley (ein bisschen ein Pygmalion-Motiv), Mr. Elton seine eingebildete Gattin, Harriet den jungen Pächter, der ihr bereits ganz zu Anfang einen Antrag gemacht hatte, und Frank war bereits heimlich mit Jane verlobt, was aber erst nach dem Tod seiner Adoptivmutter öffentlich gemacht werden kann. Nach und nach wird geheiratet, obwohl Emma zu Anfang des Romans geschworen hatte, dass sie nicht heiraten wolle – schließlich habe sie genug Geld und müsse sich um ihren Vater kümmern. So mündet der kleine emanzipatorische Ansatz vom Anfang doch wieder in der Konvention. Oder wie zahlreiche Interpretationen nahelegen: Emma findet schließlich doch noch ihren Platz in der Gesellschaft. Was wohl nur als Ehefrau geht.

Lektüre als Entschleunigung

Wenn uns diese Einstellung heute natürlich ziemlich fremd ist, kann Emma doch auf andere Art punkten: Jane Austen verwendete wohl als Erste eine Erlebte Rede, mit der uns die Geschichte quasi aus Emmas Sicht erzählt wird. Ein feiner Humor und kleine kritische Seitenhiebe werten die Geschichte weiter auf. Wenn man dann als Leserin noch die ruhige Erzählweise des 19. Jahrhunderts schätzen kann, wird dieses inzwischen 300 Jahre alte Meisterwerk zum Lesegenuss. Dazu trägt sicher auch die aktuelle Neuübersetzung bei, die die Sprache vorsichtig an unsere aktuelle annähert, was uns die Lektüre sicher erheblich erleichtert.

Jane Austen. Emma. London, 1815. (gelesen: Neuübersetzung von Helga Schulz. München: dtv, 2012.)

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