Krimi, Spanien

Stefanie Kremser. Die toten Gassen von Barcelona (2011)

Eine ans Bett gefesselte Mutter, deren Stimme und Bedürfnisse ihren Sohn auch über mehrere Stockwerke hinweg drangsalieren, und ein Sohn, der zwischen Gehorsam und Wahnsinn zu schwanken scheint. Eine Journalistin, die einen Reiseführer schreiben soll und schon bei ihrer Ankunft fast über eine Leiche stolpert – der siebte Tote in ebenso vielen Wochen …

Anna Silber, Journalistin von Mitte 30, nutzt den Auftrag für einen „alternativen“ Reiseführer, um endlich Barcelona, die Heimatstadt ihrer Mutter, kennenzulernen. Freund und Kollege Rafael, Redakteur bei einer Kulturzeitschrift, hat sie unter seine Fittiche genommen. Schon auf dem Weg vom Flughafen zur Wohnung, in der Anna vorübergehend unterkommen kann, fällt ihnen ein Toter quasi vor die Füße. Wie Quim, Rafaels Lebensgefährte und der ermittelnde Kommissar, berichtet, handelt es sich bereits um den siebten Toten seit Anfang des Jahres. Da sich Quim in der neuen Wohnung, die er mit Rafael gerade beziehen will, eine Art privaten Ermittlungsraum eingerichtet hat, erhält Anna Zugang zu allen bisherigen Ermittlungsergebnissen. Obwohl ohne jegliche Qualifikation, wird sie quasi ins Ermittlungsteam aufgenommen.

Morde in Serie

Während Anna nun versucht, die Stadt ihrer Mutter zu „erfühlen“ und kennenzulernen und gleichzeitig mit ihrem Reiseführer zu beginnen, lässt sie das Rätsel der Toten nicht los. Was haben die bisherigen Fälle gemeinsam? Es scheint einen Bezug zum Martyrium von Saint Eulalia, der Stadtheiligen Barcelonas, zu geben. Was aber auch hieße, dass die Mordserie noch nicht vorbei ist. Und der Täter ist damit auch noch lange nicht überführt – doch er kommt Anna viel zu nahe …

Stadtporträt

Auf ihrer Suche streift Anna durch die Straßen Barcelonas, durch Vorzeigestraßen ebenso wie durch kleine Gassen mit verlassenen und verfallenden Häusern. Spekulanten wollen in Barcelona teuren Wohnraum schaffen, um die alten Mieter zu vergraulen, lassen sie die Häuser verfallen. Denn scheinbar wohnten die alteingesessenen Mieter noch für einen Spottpreis, eine Anpassung der Mieten ist nicht vorgesehen. Die neuen Mieter erwartet nach der Sanierung des Hauses dann allerdings eine horrende Mietforderung, die sich kaum jemand leisten kann. Eine Situation, die den Bewohnern und der Stadt zu schaffen macht: viele Häuser stehen leer und verkommen, neue Wohnungen stehen leer, weil unbezahlbar, Wohnraum ist schwer zu finden in der Millionenstadt. Diese Situation bildet den düsteren Hintergrund für Kremsers Krimi, der Barcelona dem Leser aber recht lebendig näherbringen kann.

Bemühte Dramaturgie

Dem recht gelungenen, wenn auch düsteren, Stadtporträt steht eine Krimihandlung gegenüber, die auf mich häufig etwas unbeholfen wirkte. Je mehr Tote, desto mehr Dramatik? Und der Zufall erweist sich als zu extrem hilfreich, sodass Anna fast im Alleingang die Arbeit der Polizei erledigen kann… Ihren Reiseführer vernachlässigt sie völlig, in der Stadt lässt sie sich häufig einfach treiben und wirkt unbedarft und ziellos. Charakterzeichnung? Naja. Insgesamt ein Krimi, den man mal lesen kann, wenn man einen Bezug zu Barcelona hat, den man aber auch nicht gelesen haben muss.

Stefanie Kremser. Die toten Gassen von Barcelona. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2011.

Weitere Informationen zur Autorin auf der Autorenseite Stefanie Kremser.

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