KrimiLiebe, Norwegen

Trude Teige. Das Mädchen, das schwieg – Kajsa Coren 4 (2017)

Journalistin Kajsa Coren will einen Spaziergang machen, als sie von einem Schrei der Nachbarin alarmiert wird: Sie hat gerade eine junge Frau ermordet aufgefunden. Sissel Våge war eine Einzelgängerin, die nicht sprach und kaum das Haus verließ. Wer hätte ihr etwas antun wollen?

Kajsa und ihr Lebensgefährte Karsten, ein Polizist, haben sich vor Kurzem in ihren Heimatort Losvika zurückgezogen, wo Karsten nach einer schweren Verletzung neuen Lebensmut finden soll. Bisher beherrscht die Angst sein Leben und Kajsa wird zunehmend ungeduldiger mit ihm. Schließlich hat sie auch noch drei Kinder zu versorgen, darunter den gemeinsamen Sohn Jonas.

Ein neuer Mord

Als Kajsa zur toten Sissel gerufen wird, ist ihre Neugier sofort geweckt. Die junge Frau sitzt in einem Abendkleid in einem Sessel am Fenster, von wo aus sie scheinbar das Geschehen draußen genau beobachtete und häufig Briefe an andere Dorfbewohner schrieb, um diese auf ihre Verfehlungen hinzuweisen. Gesprochen hat Sissel allerdings schon lange nicht mehr.

Ein alter Mord

Ein Jahr zuvor war Sissels Vater, der Prediger Peder Våge, ebenfalls ermordet worden, der Täter wurde nie gefasst. Ist er jetzt zurückgekommen? Hängen die beiden Morde irgendwie zusammen? Kajsa erhält für ihre Neugier eine berufliche Legitimation: den Auftrag einer Zeitung, über den Mord in Losvika zu berichten, auch über Hintergründe etc. Während Kajsa also für ihre Artikel recherchiert, macht sie erschütternde Entdeckungen, wobei sie selten weiß, was die Polizei bereits herausgefunden hat.

Verschwundene

Als die 14-jährige Tone verschwindet, die Adoptivtochter von Bente und Dag Rise, ist das ganze Dorf auf den Beinen, um sie zu suchen. Vom Fenster ihres Zimmers kann Tone auf Sissels Haus schauen – hatte sie dort etwas gesehen, das jemandem gefährlich werden könnte? Steckt vielleicht ihr Klavierlehrer Gisle Kvamme dahinter, der Tone eine ganz besondere Behandlung zukommen lässt? Oder ist Tones Adoptivvater Dag in ihr Verschwinden und die Morde verwickelt? Als Tone nicht zu finden ist, bittet die Polizei Karsten um Mithilfe und endlich kann er sich aus der Mutlosigkeit befreien und einen wertvollen Beitrag leisten.

Kalt

Der Krimi spielt im Wesentlichen im Dezember an der norwegischen Küste – aber wohl nicht nur deshalb kommt alles sehr kalt rüber. Auch die Menschen hier scheinen kalt, verdächtigen sich durchaus gegenseitig, auch wenn alle bei der Suche nach Tone helfen. Doch dass das Mädchen schon lange gemobbt wird, hatte niemand gewusst. So wie die Dorfbewohner von Sissel nicht wussten, dass sie … doch vielleicht verrate ich damit dann schon zu viel.

Distanziert

So kalt wie die Natur und die Menschen ist auch der Stil des Krimis, alles bleibt ziemlich distanziert. Selbst Protagonistin Kajsa äußert zwar mal ihren Unmut oder ihre Neugier, fühlen lässt die Autorin (oder die Übersetzer?) das ihre Leser aber nicht. Teilweise mag das an den uns unbekannten Namen liegen, mit denen wir dann keine Bilder oder Charaktereigenschaften verbinden, doch trotzdem wäre es sicher möglich gewesen, dem Leser etwas vom Innenleben der Menschen zu vermitteln.

Blass

Leider bleiben trotz aller begangenen Grausamkeiten die Figuren ziemlich eindimensional und durchkalkuliert – irgendwie sind sich alle sehr ähnlich: einsam, auf sich gestellt, aber funktionierend. Es fehlt Leben in diesem Krimi, Bewegung, alles scheint eingefroren wie die Natur. Der Fall ist sehr früh durchschaubar und schleppt sich lange dahin, ohne dass wirklich etwas passiert. Auch der private Alltag bietet da keine Unterhaltung und die blassen Figuren fesseln nicht. Ein Krimi für Leser, die es gerne kalt und emotionslos konstruiert mögen.

Trude Teige. Das Mädchen, das schwieg. Berlin: Aufbau Verlag, 2017. | Jenta som sluttet å snakke. Oslo: H. Aschehoug & Co. (W. Nygaard) AS, 2014. Übersetzung Gabriele Haefs und Andreas Brunstermann. (Kajsa Coren 4)

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