Frankreich, Literatur

Véronique Olmi. Das Glück, wie es hätte sein können (2014)

Um eine amour fou und versteckte, verleugnete Wahrheiten geht es in Véronique Olmis neuem Roman, um Musik und die Schlüsselpunkte, an denen ein Leben urplötzlich aus dem Takt gerät und der nächste Schritt, der richtige Ton über alles entscheidet.

… das verspricht der Klappentext unter anderem. Wer allerdings eine klassische Amour-Fou-Story erwartet, wird enttäuscht werden. In diesem neuen Roman von Véronique Olmi geht es nicht um ein junges Paar, das voller Leidenschaft liebt und die Welt um sich herum vergisst.

Serge im Glück der Oberflächlichkeit

Serge ist sechzig, erfolgreicher Immobilienmakler, seine Frau Lucie ist halb so alt wie er, sehr schön und den beiden kleinen Kindern eine hingebungsvolle Mutter. Obwohl Serge dieses offensichtliche Glück zu schätzen weiß, ist er unruhig, unzufrieden, ängstlich. Er ahnt, dass er sich ein Leben aufgebaut hat, das nicht wirklich zu ihm passt.

Suzanne im Glück der Gewohnheit

Die Klavierstimmerin Suzanne ist über vierzig und Serge beschreibt sie als durchschnittlich, äußerlich nichts Besonderes. Doch er meint eine Sicherheit zu spüren, die ihn nach wenigen zufälligen Begegnungen anzieht. Er bekommt sie nicht mehr aus dem Kopf, zögert nicht lange, sondern besucht Suzanne in ihrer Wohnung. Sie ist zunächst sehr distanziert, doch eine gegenseitige Anziehungskraft kann sie nicht leugnen und sie schlafen miteinander.

Die Möglichkeit von Nähe

Weder Serge noch Suzanne vergessen damit plötzlich ihr bisheriges Leben, ihre bisherigen Partner. Doch ihr Blick auf ihre eigene Existenz ändert sich nach und nach. Auch Suzanne ist verheiratet, eine Ehe, die nach Jahren mehr aus Gewohnheit besteht, wie die meisten. Ein einmaliger Ausrutscher, denken beide zunächst, schließlich gibt es nichts Offensichtliches, das sie am anderen attraktiv finden. Trotzdem sehen sie sich wieder, beginnen eine Affäre, treffen sich in leeren Wohnungen, die Serge vermitteln soll. Lange dauert die Idylle nicht, doch für Serge ist Suzanne endlich die Frau, der er von den dramatischen Ereignissen seiner Kindheit erzählen kann. Für ihn eine Befreiung, Suzanne fragt sich allerdings, warum er das ausgerechnet ihr erzählt …

Poetischer Blick hinter die menschliche Fassade

Die Liebesgeschichte zwischen Serge und Suzanne bleibt seltsam leicht und offen, ein Anfang, aber kein echter Schluss, kein echtes Bekennen zum anderen, nur ein Vielleicht, am Ende bleibt nur das Hoffen von Suzanne. Die Geschichte der beiden lebt nicht von der Handlung, nicht einmal wirklich von der inneren Handlung der Protagonisten, sondern von der Sprache Olmis (die in der Übersetzung von Claudia Steinitz nur gelegentlich ein wenig holpert), die luftig leicht und poetisch hinter die menschlichen Oberflächen und Fassaden schaut.

Dieses Gefühl, dass wir alle schon tot und nur noch Fotos sind. Man sieht sich an und erstarrt, ganz aufrecht, Lächeln und Haltung perfekt. Wir gehen dabei drauf, ganz sicher. Was erwarten wir voneinander? Wissen wir es überhaupt? Und wenn man mit all dem aufhören würde? Wenn man sich von dieser schrecklichen Müdigkeit ausruhen würde, die das Bemühen kostet, sich zu ertragen, das Schwinden der Liebe und die Enttäuschung zu ertragen?

Véronique Olmi. Das Glück, wie es hätte sein können, S. 207

Ein wunderschönes Buch für alle, die keine spannende Handlung erwarten, sondern sich einlassen können auf existenzielle Fragen und eine poetische Sprache.

Véronique Olmi. Das Glück, wie es hätte sein können. München: Kunstmann 2014. | Nous étions faits pour être heureux. Paris 2012.

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