Deutschland

Ildikó von Kürthy. Endlich! (2010)

Endlich! – Vera Hagedorn wird endlich glücklich. Mit vierzig scheint das eine besondere Leistung zu sein, die ein “endlich” verdient. Ist es, weil sie “endlich” schwanger wird? Oder weil sie “endlich“ einsieht, dass ihr bisheriges Leben doch nicht so glücklich war, wie sie immer dachte?

Protagonistin Vera Hagedorn, die Ich-Erzählerin, lebt glücklich verheiratet in Stade. Sie liebt ihr ruhiges, bescheidenes Glück dort. Beruflich tut sich nicht viel, aber das scheint sie nicht sehr zu vermissen. Einziger Wermutstropfen in ihrem kleinen Glück ist, dass sie trotz aller Bemühungen, Untersuchungen und Behandlungen einfach nicht schwanger wird.

Gerade ist Vera allerdings vierzig geworden und sie hadert gewaltig mit der Zahl und ihrem Alter. Geht es jetzt abwärts Richtung Alter, kann sie nicht mehr attraktiv sein? Auch die Hoffnung auf ein Kind kann sie wohl bald begraben. Vera hat viel Zeit, um mit ihren Freundinnen gemeinsam zu jammern.

“Der Tag tut so als sei nichts.”

Gut, dass Vera auch noch eine ganz andere Freundin hat, die glamouröse Schauspielerin Johanna, die sie nach Berlin einlädt. Zu einem Ayurveda-Wochenende, danach soll Vera Johannas Sohn hüten, ein paar Wochen wäre sie ausgeflogen aus ihrem beschaulichen Nest. Und – oh Wunder – Veras Ehemann Marcus protestiert nicht, sondern leiht ihr auch noch seinen Laptop, damit sie es bequemer hat. Die Leserin sieht die Katastrophe nahen: Vera findet mithilfe des Computers heraus, dass ihr langweiliger Marcus eine Affäre hat.

“Ich kann nicht anders.”

Vera, typisch Frau, heult erst mal und beschließt dann, dass sie ihren Mann zurück haben will. Eine Konfrontation kommt für sie nicht infrage, ein Leben ohne ihn kann sie sich nicht vorstellen. Was macht frau also? Natürlich an ihrem Aussehen schrauben: abnehmen und trainieren. Johanna und ein weiterer finanzkräftiger Freund unterstützen sie dabei, mit Personal Trainer und allem drumherum. Sofort reißen sich die Männer um sie, auch beruflich bekommt sie eine tolle Chance. Und: Marcus will sie wirklich zurück. Das Happy End scheint also zum Greifen nah – aber dann kommt es doch noch anders und viel besser.

“Willkommen zum Wochenendseminar ‘Nackt besser aussehen’.”

Wenn die Zusammenfassung des Inhalts ein wenig ironisch ausfällt, ist das kein Zufall. Ildikó von Kürthy nimmt eine Ausgangssituation, die viele Frauen kennen. Die beschreibt sie gut lesbar, einfühlsam, intelligent, witzig. Unterhaltsam bleibt die Lektüre – wenn man sich als Leserin an Klischees nicht stört. Frau kann nur geliebt werden, wenn sie jung ist oder wenigstens so aussieht, wenn sie schlank ist und traniert und einen großen Busen hat? Also bitte, ich hätte gedacht, die Autorin ist eigentlich zu intelligent für dieses Frauenbild. Oder ist sie so intelligent und schreibt das, weil sie weiß, dass Frauen wirkich noch so denken? Das wäre traurig.

Versatzstücke aus dem Klischee-Katalog

Dazu kommen dann noch jede Menge Stereotypen: der Ehemann hat eine Affäre mit einer Jüngeren, der schwule Freund, die beste Freundin als Rollenvorbild und Unterstützerin, das Ayurveda-Wochenende im Nirgendwo, der berufliche Erfolg über Nacht, … gähn.

Realismus im Roman?

Wie realistisch kann die Handlung eines Romans sein? Veras Probleme und Überlegungen kennt wohl jede Frau in einem vergleichbaren Alter. Aber ihr Ausweg? Ihre Freunde? Völlig unrealistisch. (Der schwule Freund ist gängiges Romanpersonal, im echten Leben gibt es sie selten.) Aber die Realität würde vermutlich heißen “Durchhalten” oder Scheidungskrieg und jahrelanges Wundenlecken. Wer will das wirklich lesen? Die Realität haben wir schließlich alle, in Romanen suchen wir andere Möglichkeiten, Auswege, Träume.

Der Stil Kürthys könnte einen unterhaltsamen Traum präsentieren, wenn der nicht so voller Klischees und Stereotypen wäre, die wir alle längst zur Genüge kennen. Schade.

Ildikó von Kürthy. Endlich! Hamburg: Rowohlt, 2010.

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