Frankreich, Unterhaltung

Annette Hohberg. Alles, was bleibt (2011)

Gesine Burg macht einen letzten Streifzug durch ihre Wohnung, bevor sie die Schlüssel an die Nachmieter übergeben muss. Sie verabschiedet sich dabei auch von dem gemeinsamen Leben mit ihrem Mann Leo, der sich vor drei Monaten von ihr getrennt hat. Aus der hintersten Ecke des Tiefkühlschrankes zieht sie eine vergessene Dose mit Fischfond hervor, die noch ihr Mann zubereitet hatte, und die alle Schleusen der Trauer endlich öffnet. Gesine beschließt, in ihr Haus in der Normandie zu fahren, um sich von ihrem bisherigen Leben zu verabschieden.

Aus dem Fischfond kocht Gesine vorher aufwändig das Essen, das bisher das gemeinsame Lieblingsgericht war – die Vorliebe für ausgezeichnetes und exklusives Essen war eine Leidenschaft, die das Ehepaar teilte. Als Gastrokritiker gehörten Restaurant-Besuche zu Leos Alltag und seine Frau begleitete ihn häufig. Das gute Essen stellte die Konstante dar, die sich durch das gemeinsame Leben zog.

Reise in die Vergangenheit

Auf ihre Reise in die Normandie nimmt Gesine einen Karton mit einigen Fotos mit, anhand derer sie in den folgenden Tagen die Stationen ihrer Beziehung Revue passieren lässt. Vom Kennenlernen in Barcelona und der sofortigen Faszination füreinander über die Hochzeit, die Kinderlosigkeit, bis zum bitteren Ende. Nebenbei bringt sie das Haus in Ordnung, besucht Freunde, hat Sex mit einem jüngeren Franzosen. Sie lernt langsam, dass das Leben weitergeht und paradoxerweise wächst damit ihre Zuversicht, dass Leo doch zu ihr zurückkommt.

Leos Rückkehr

Leo kommt tatsächlich in die Normandie und besucht Gesine im einst gemeinsamen Haus. Er liebe sie immer noch, sie verbringen die Nacht zusammen – und doch kann es keine gemeinsame Zukunft mehr geben. Und Gesine verzichtet zugunsten einer anderen auf ihre große Liebe…

Ersatz steht bereit

Wenn das ein wenig ironisch klingt, dann ist das durchaus beabsichtigt. Denn auch wenn der Roman ganz nett zu lesen ist in seiner eher ruhigen, nachdenklichen Erzählweise, ist das alles ein wenig viel, zu gewollt, zu konstruiert, zu passend. Der beste Freund, der Gesine (schon dieser Name…) natürlich auch liebt und sofort gerne den Ehemann ersetzen würde. Auch für spontanen Trost-Sex steht er zur Verfügung. Wie soll das zur angeblich so großen Trauer und Lähmung der Protagonistin passen? Und auch in Frankreich findet sich sofort ein toller Mann, Julien, der sich unsterblich in Gesine verliebt, obwohl er es natürlich nicht will und auch früher noch nie gemacht hat und auch noch ein paar Jahre jünger ist.

Das neue Leben wartet schon

In der Normandie kann Gesine nicht nur ihre Ehe aufarbeiten, sondern auch endlich ein altes Kindheitstrauma, von dem sie ihrem Mann nie erzählt hatte. So befreit, beschließt sie, gleich ihr ganzes Leben zu ändern und natürlich steht die perfekte Chance, dies zu tun, schon bereit. Und da sie so ein Übermensch ist, will natürlich auch der Gatte zu ihr zurück, die junge Praktikantin kann ja nicht einmal kochen …

Urlaubsstimmung in der Normandie

Diese Geschichte verpackt Annette Hohberg ganz nett in viel Urlaubsstimmung und normannische Landschaft mit Äpfeln und Calvados. Detailliert beschreibt sie immer wieder die Zubereitung verschiedener Gerichte, ein bisschen zu ausführlich für den durchschnittlichen Leser, aber Rezepte im Anhang eines Romans scheinen ja in Mode. Hohberg versucht sich auch in einer poetischen Sprache, immer wieder wirft Gesine ihre Gedanken in die Landschaft wie andere Leute ihre Blicke. Das wirkt ein bisschen arg gewollt und täuscht Tiefe an, wo eigentlich gar keine ist. Immerhin: die Normandie kommt nebenbei sehr sympathisch und lebendig rüber und weckt das Fernweh.

Annette Hohberg. Alles, was bleibt. München: Knaur, 2011.

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