Spanien

Javier Marías. Mein Herz so weiß (1996)

Eine eigenwillige Geschichte, noch ungewöhnlicher erzählt …

Die Fakten: Der Vater der Ich-Erzählers war vor der Ehe mit der Mutter schon einmal verheiratet, mit der Tante. Die hat sich erschossen an dem Tag, an dem sie aus den Flitterwochen zurückkam. Eine Geschichte, die als dunkles Geheimnis über der Familie lag, über die nicht gesprochen wurde.

Juan sinniert und assoziiert …

Der Ich-Erzähle (Juan?) ist Dolmetscher, erzählt aus seinem Leben kurz nach seiner eigenen Heirat mit Luisa. Aus ihren Flitterwochen, Begegnungen mit seinem Vater, eine Reise nach New York.

Die Sätze sind endlos, scheinen bisweilen atemlos, folgen den Gedanken, den abschweifenden Geschichten, die Juan aus einem Augenblick ableitet. Dabei verfolgt er bisweilen seltsame Überlegungen, stellt eigentlich unmögliche Verbindungen her.

Ruhig im Ton, aber faszinierend

Irgendwie eine düstere Geschichte, eine, die man nicht in einem Rutsch durchliest, weil man nicht erwarten kann, wie es ausgeht – nein, diese Geschichte ist eher ruhig, sie braucht Geduld für all die Überlegungen und Randnotizen, die dann aber, wenn man sich einmal auf das Tempo des Romans einlassen kann, eine eigene Faszination entwickeln. Natürlich fragt man sich als Leser, warum die Tante sich erschossen hatte, doch irgendwann ist diese Frage auch gar nicht mehr so wichtig, man ahnt die Antwort, trotzdem lässt man sich von den Gedankenspiralen des Ich-Erzählers in einen Sog hineinziehen.

Leise und intensiv

Keine leichte Lektüre für Zwischendurch, der Roman braucht Zeit und etwas innere Ruhe für den vollen Genuss. Ein Roman, der damit wohl nicht mehr in unsere Zeit passt, zu intellektuell, eine Herausforderung, der sich in unserer hektischen Zeit nicht mehr viele Menschen stellen wollen oder auch können. Ein leiser, aber umso intensiverer Genuss.

Javier Marías. Mein Herz so weiß. Stuttgart: Cotta, 1996. | Corazón tan blanco. Barcelona, 1992.

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