USA

Cathleen Schine. Alles Glück der Welt (2012)

Joseph Weissmann ist 78 Jahre alt, als er sich von seiner Frau Betty nach fast fünfzig Jahren Ehe scheiden lassen will. Für Betty bricht eine Welt zusammen – auch im wörtlichen Sinne, denn sie muss das New Yorker Luxus-Appartement eintauschen gegen ein heruntergekommenes Cottage in Westport. Ihre beiden Töchter Annie und Miranda begleiten sie, nicht nur, um der Mutter beizustehen, sondern auch auf der Flucht vor ihren eigenen Misserfolgen.

Dass sie mit 75 Jahren noch einmal neu anfangen soll, damit hätte Betty nie gerechnet. Sie hatte sich in ihrer Ehe gut eingerichtet, das Paar hat viel unternommen, sich immer gut verstanden … aber auf einmal gibt es „unüberbrückbare Differenzen“, so jedenfalls begründet Joseph den Wunsch nach einer Scheidung. Doch eigentlich hat er sich noch einmal neu verliebt: in Felicity, die manipulative Vize-Chefin in seiner Firma.

Umzug ins Exil

Felicity redet Joseph ein, dass das große New Yorker Appartement eine Belastung für Betty sei, und so steht diese auf einmal vor der Notwendigkeit umzuziehen. Sie wüsste nicht wie oder wohin, wenn nicht Cousin Lou ihr ein Cottage in Westport überlassen würde und ihre Töchter (beide um die 50) nicht den Umzug organisierten. Tochter Miranda schließt sich ihrer Mutter schnell an, denn ihre Agentur ist gerade in einen Skandal verwickelt und sie besitzt keinen Cent mehr. Ihre Schwester Annie begleitet beide, denn irgendjemand muss sich schließlich um sie kümmern.

Frauenprobleme

Während Betty Trost darin zu finden scheint, ihren getrennten Mann als verstorben und sich als Witwe anzusehen, knabbern ihre Töchter an den eigenen Problemen. Miranda wartet auf den endgültigen Untergang ihrer Agentur und nutzt jede Gelegenheit zu einem dramatischen Auftritt, während Annie aus alter Gewohnheit die Stimme der Vernunft gibt. Sie ist seit langem geschieden und hat zwei erwachsene Söhne. Jeden Tag pendelt sie zu ihrem Job in die Stadt und hofft auf eine Fortsetzung der Affäre mit dem Autor Frederick Barrow (Felicitys Bruder), der sich allerdings rar macht. Doch Annie ist keine Träumerin, sondern höchst pragmatisch und vielleicht die einzige „Normale“ in der Dramatis personae des Romans.

Exzentrisch und bizarr

Cousin Lou führt den Reigen der exzentrischen Persönlichkeiten an, die die drei Frauen in Westport kennenlernen. Mit seinen großzügigen Einladungen für jedermann sammelt er „Familie“ um sich, zu der jetzt natürlich auch Betty, Annie und Miranda gehören. Viele Begegnungen, kleinere und größere Ereignisse – ja, auch Liebesgeschichten – und Verwicklungen wie im Kitschroman bestimmen die Handlung. Dabei wird allerdings die Darstellungsweise nie kitschig oder zu platt.

Ruhig, klug und ironisch

Der Stil Schines ist eher etwas distanziert, gelegentlich ironisch, mit einem Blick für interessante Details und häufig mit sehr bizarren Bemerkungen der Protagonistinnen. Doch bei allem Durcheinander und Hin und Her bleibt der Erzählfluss ruhig, der Blick der Autorin auf das Geschehen intelligent. Insgesamt ein interessanter Frauenroman über Frauen (überwiegend) ab 50 für Leserinnen, die im ruhigen Erzählfluss auf die ironischen und klugen Details achten möchten und sich von manchmal aberwitzigen Zufällen und Verwicklungen nicht abschrecken lassen.

Der Titel Alles Glück der Welt ist der deutschen Taschenbuchausgabe vorbehalten, Hardcover und E-Book tragen den Titel Die drei Frauen von Westport.

Cathleen Schine. Alles Glück der Welt. München: Goldmann, 2012 (Taschenbuch). Dt. Erstausgabe: Die drei Frauen von Westport. München: Goldmann, 2010 (Hardover). | Original: The Three Weissmanns of Westport. New York: Farrar, Straus and Giroux, 2010. Übersetzung Sybille Schmidt.

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