Frankreich, Krimi

Cay Rademacher. Ein letzter Sommer in Méjean (2019)

Vor 30 Jahren wurde einer von ihnen in Méjean ermordet – jetzt trifft sich die deutsche Clique wieder in demselben Haus wie damals. Ein Mörder soll entlarvt werden, so heißt es, und alle fragen sich, ob es einer von ihnen ist oder doch jemand aus dem Dorf. Nach 30 Jahren kommen endlich alte Konflikte zutage.

Zum bestandenen Abitur hatte der überaus begabte und beliebte Michael Schiller seine Clique in das Ferienhaus seiner Eltern in Méjean, in der Nähe von Marseille, eingeladen. Seine Freundin Claudia, das Pärchen Dorothea und Oliver, den angehenden Künstler Rüdiger und die brave Babs. Es sollten ein paar unbeschwerte Tage werden, waren es scheinbar auch, bis eines Morgens Michael erschlagen am Strand gefunden wird. Keine Spuren, kein Täter zu ermitteln.

Alte Freunde

30 Jahre später trifft sich die Clique erneut in Méjean, hergelockt oder erpresst durch Briefe an jeden Einzelnen, in denen die Aufklärung des Mordes angekündigt wird. Und in denen der Schreiber so viel Wissen offenbart, dass jeder es für möglich hält, dass er auch den Täter kennt. Die fünf Übriggebliebenen fahren nach Méjean, treffen sich dort zum ersten Mal wieder. Claudia ist jetzt Ministerin, Oliver ein an seiner Habilitation gescheiterter, arbeitsloser Archäologe, seine Frau Dorothea ist Sportlehrerin, Babs hat ihr kleines Glück bei einer Bank gefunden und Rüdiger hat als Künstler die große Karriere gemacht.

Mit Rückblenden verwebt

Im alten Feriendomizil ist jeder seinen Erinnerungen an damals ausgeliefert und nach 30 Jahren brechen jetzt die Konflikte auf, die damals nur unter der Oberfläche schwelten. Und es kommen Dinge ans Licht, die 30 Jahre lang von Alltag zugedeckt wurden. In Rückblenden wird nach und nach die Geschichte der Ferien vor 30 Jahren erzählt, Stückchen für Stückchen, Szene für Szene.

Der Kommissar

Zur Aufdeckung all der Heimlichkeiten, Allianzen, Animositäten und letztlich des Mörders hat der Briefeschreiber eine weitere Einladung verschickt: an die französische Polizei. Aus Marseille wird der Kommissar Marc-Antoine Renard nach Méjean geschickt, der gerade eine Krebserkrankung überstanden hat und sich langsam wieder an den normalen Dienst gewöhnen soll. Normal läuft bei diesen Ermittlungen zwar nichts, aber Renard beweist Einfühlungsvermögen und Beharrlichkeit …

Figuren mit Charakter und Schwächen

Ein letzter Sommer in Méjean ist mehr als nur ein Krimi, in dem möglichst logisch ein Täter überführt werden soll. Der Erzählfluss ist eher ruhig, fast nachdenklich. Die Figuren erhalten viel Raum, ihren Charakter zu zeigen, Eigenheiten zu offenbaren und auch eine Bilanz der vergangenen 30 Jahre zu ziehen – und da ist kaum jemand mit sich zufrieden. Aus den großen Plänen nach dem Abitur ist Alltag geworden, den jeder für sich jetzt prüft und infrage stellt. Auch Kommissar Renard bekommt Gelegenheit, sich langsam wieder an das Leben zu gewöhnen, gut gemacht, aber nicht zu dominierend im Verlauf der Handlung. Und das französische Fischerdorf Méjean darf eine malerische Kulisse liefern für die Handlung.

Ruhige Spannung

Bei aller Psychologie und südfranzösischem Urlaubsambiente kommt die Spannung trotzdem nicht zu kurz, dafür sorgen ein hartnäckiger Ermittler und wohl platzierte Rückblenden. Ein Krimi, der es wagt, sich langsam und ruhig zu entfalten, der den einzelnen Charakteren genauso wie der Landschaft viel Raum gibt und der doch auf seine ruhige Art viel Spannung aufbauen kann. Mir hat dieser Krimi jedenfalls richtig gut gefallen, ich kann ihn nur empfehlen.

Cay Rademacher. Ein letzter Sommer in Méjean. Köln: Dumont, 2019.

Mehr zum Autor und zu seinen Krimis auf der Autorenseite Cay Rademacher.

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