Finnland, Krimi

Eva Frantz. Die Tote im Eis – Anna Glad 1 (2018)

Der Tod einer Lehrerin ruft die unrühmliche Geschichte einer Schule wach. Der erste Fall für die leicht chaotische Kommissarin Anna Glad.

Beim Eisbaden entdeckt ein Rentner eine Leiche: Boel Westman ist scheinbar bei ihrem letzten Bad ertrunken. Es könnte sich um einen Unfall handeln, Fremdeinwirkung ist erst mal nicht nachzuweisen. Oder war es Selbstmord? Kommissarin Anna Glad und ihre Kollegin Märta Hansson glauben nicht daran und untersuchen das Umfeld der Toten. Boel arbeitete als Fotografie-Lehrerin an einer Schule auf Stockudden, doch dort ist von Konflikten nichts bekannt. Auch mit der Familie der Direktorin, ihre Nachbarn in der Wohnung im Hauptgebäude der Schule, verstand sie sich gut, hatte sich sogar mit deren Tochter Emma angefreundet.

Nacktfotos

Dann taucht im Schließfach der dementen Mutter von Boel ein Umschlag auf, auf dem Annas Name steht. Darin Nacktfotos von jungen Mädchen. Hatte Boel pädophile Interessen? Das jedenfalls vermutet der neue Kollege sofort, der versucht, den Fall an sich zu reißen. Anna und Märta sind sich weniger sicher, was die Fotos zu bedeuten haben. Hat Boel sie gemacht? Als Teil ihres Unterrichts? Oder mit anderer Absicht? Wer ist auf den Fotos abgebildet? Die Schülerinnen auf Stockudden scheinen es nicht zu sein, wie die Befragungen ergeben.

Perspektivwechsel

Immer wieder wechselt die Autorin die Perspektive: zur Schülerin Isabella, die allerdings nicht in der Fotoklasse ist, sondern auf eine Gesangskarriere hofft, zu Emma, deren einziger Freund ihr Dackel Doris ist, und – deutlich abgesetzt – zu Elli, ebenfalls Schülerin der Schule. Zu einer Zeit, als hier „schwierige“ Mädchen untergebracht waren, Rebellinnen und junge Frauen mit psychischen Problemen. Die Methoden scheinen mehr als fragwürdig gewesen zu sein … Anna und Märta finden schnell heraus, dass auch Boel einst als Schülerin auf der Insel lebte. Kann ihre Schulzeit etwas mit ihrem Tod zu tun haben?

Luciafest

Während Isabella für ihren Gesangspart der Lucia übt, erhält Anna einen weiteren Tipp: eine alte Videokassette mit Aufnahmen der Luciaprozession des Jahres 1988. Als Boel eine der Schülerinnen war, die mitlaufen durften. Tatsächlich gelingt es Anna, eine weitere ehemalige Schülerin aufzuspüren, aber die bringt sie zunächst nicht weiter. Bestätigt aber dadurch umso mehr Annas Verdacht, dass damals etwas passiert ist, was bis heute nicht vergessen ist.

Gut mit Potenzial

Anna darf auch noch eine amouröse Verwicklung erleben, eine Grippe, ein Bad im Eisloch bei der Suche nach der ausgebüxten dementen Mutter der Toten, einen schwulen besten Freund, der aber originellerweise immerhin ihr ehemaliger Kollege ist, der sich ausgerechnet kurz vor Weihnachten einer Herz-OP unterziehen muss … Alles in allem interessante Charaktere, die aber gerne noch ein bisschen mehr Farbe haben dürfen, und auch ein gut ausgedachter Fall mit diversen Verwicklungen. Allerdings kommt die eigentliche Ermittlung in meinen Augen eher zu kurz: das Verhör oder Gespräch mit den Hauptverdächtigen wird kurzerhand ausgelassen. Da ist für den nächsten Band Der Tod in den Schären noch Luft nach oben, aber lesen werde ich ihn auf jeden Fall! 

Ausgezeichnet mit dem Preis für Finnlands besten Krimi des Jahres.

Eva Frantz. Die Tote im Eis. Berlin, Aufbau 2023. | Den åttonde tärnan. Helsinki, Schilds & Söderströms 2018. Übersetzung Leena Flegler (Anna Glad 1)

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