Krimi, Schweiz

Gabriela Kasperski. Zürcher Filz – Schnyder/Meier 6 (2020)

Krimi mit ein paar Gruselelementen und unterschwelliger Kritik der Immobilienwirtschaft.

Eine reiche Erbin wird vermisst gemeldet – aber nur von der Gärtnerin. Niemand hat wirklich gesehen, ob Philomena Lombardi in Zürich eingetroffen ist, angekündigt hatte sie sich erst für einen späteren Zeitpunkt. Zur Sitzung der von ihrem Vater gegründeten Immobilienstiftung kurz vor Weihnachten wollte sie kommen. Was die Geschäftsführer dieser Stiftung allerdings gar nicht schätzen, denn in den letzten Jahren konnten sie quasi machen, was sie wollten. Mauscheleien bei der Wohnungsvergabe, persönliche Bereicherungen auf diverse Arten – you name it.

Ermittlungen

Wir Leser wissen längst, dass Philomena im Keller ihres Zürcher Hauses gefangen ist. Doch wer sie dort eingesperrt hat? Aussichtsreichster Kandidat schein ihr Exmann Johannes, der ebenfalls Geschäftsführer der Lombardi Stiftung ist und sich mit seiner aktuellen Frau Claire um die beiden Kinder kümmert. Die ermittelnde Kommissarin Beanie Barras tappt derweil noch im Dunkeln, einziger konkreter Anhaltspunkt schein ein Ohrring zu sein, der der Vermissten gehörte. Sie beauftragt inoffiziell ihren ehemaligen Kollegen Werner Meier mit ein paar Undercover-Ermittlungen. Der hat vom Vollzeit-Vater-Dasein gerade die Nase voll und ergreift die Gelegenheit. Dass auch er und seine Partnerin Zita Schnyder eine neue Wohnung suchen, macht die Sache für sie brisant.

Die Familie besichtigt auch eine der Wohnungen der Lombardi Stiftung – gemeinsam mit rund tausend anderen Wohnungssuchenden. Dabei wird unter den Bewerbern mit harten Bandagen gekämpft, und nach welchen Kriterien die Wohnungen tatsächlich vergeben werden, bleibt unklar.

Derweil in und an der Villa …

Um die Villa der Lombardis ereignen sich noch andere Dinge, hier kommen teilweise die Gruselelemente ins Spiel. Eine weiße Frau wird wiederholt in dem Park gesehen, ein junger Mann in Trainingsanzug attackiert einen Hund und wohl auch Menschen. Die junge Jesse hatte sich in einem Kellerraum, der beim Abriss der Nachbar-Villa übrig geblieben war, ein Versteck eingerichtet. Ihr Freund soll jetzt allerdings abgeschoben werden und ihre alkoholkranke Mutter macht ihr das Leben schwer. Und aus ihrer Wohnung sollen die beiden auch raus. Philomena hatte Jesse eine günstige Lombardi-Wohnung versprochen – aber wo bleibt Philomena?

Viel Wirbel

In der Stiftung fürchtet man derweil die Rückkehr der Erbin, die wohl angekündigt hatte, „aufräumen“ zu wollen. Also wird die Sitzung kurzfristig vorverlegt, ein renitenter Stiftungsrat wird mundtot gemacht. Durch das ganze Geschehen wirbeln auch noch diverse Kinder, um die man sich mehr oder weniger kümmern muss. Die Lebensgefährtin der Erbin taucht auf, von der aber so gut wie niemand weiß. Jesse macht sich auf die Suche nach ihrem Freund, ihre Mutter sucht sie, Zita sucht beide …

Großes Getümmel

Das alles ergibt ein sehr buntes und lebhaftes Getümmel der Figuren, ein Springen von Szene zu Szene, wobei Erklärungen oder vermittelnde Elemente ziemlich kurz kommen. Der Wahnsinn auf dem Wohnungsmarkt kommt sehr gut rüber, dem Krimi fehlen für mich ein bisschen die Zusammenhänge. Doch wer das etwas abgehackte Szenische mag, kommt hier vermutlich auf seine Kosten. Für mich blieb an manchen Stellen die Logik etwas auf der Strecke – und vielleicht sollte man dann doch darauf achten, dass die Kinder immer gleich heißen und nicht noch zusätzliche Verwirrung stiften.

Nominiert für den Schweizer Krimipreis 2021 und für den Zürcher Krimipreis 20/21.

Gabriela Kasperski. Zürcher Filz. Köln: emons, 2020. (Schnyder/Meier 6)

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