Österreich, Roman

Karen Duve. Sisi (2022)

Eigentlich wollte die Autorin ein Buch über Pferde schreiben, dann sei es eines über Sisi geworden. Eigentlich ist es beides.

Es wird schon sehr viel geritten in diesem Buch, und auch sehr grausam. Die Peitsche ist allgegenwärtig, Hunde auch, aber im Namen der Jagd werden Füchse und Hirsche gehetzt und von den Jagdhunden zerfleischt – ein für uns höchst grausamer Vorgang, aber damals eben ganz normal. So geht eben eine richtige Jagd, die Sisi die Gelegenheit gibt, die Zwänge ihres Kaiserinnen-Daseins für kurze Zeit abzuschütteln. Und das tat sie scheinbar nur zu gerne.

Jagdsaison

Wir dürfen also Sisi und ihre Zeitgenossen in England während der Jagdsaison erleben. Ausführlich. Dazu gehört dann auch Sisis Schönheitskult und ihr Spiel mit der Bewunderung der Männer. Aber auch das Ausnutzen ihrer hohen Stellung als Kaiserin, wenn es ihr gerade besser passt. Denn dass sie die erste Dame der Gesellschaft ist, daran darf es natürlich gar keinen Zweifel geben.

Die Nichte

Nur eine gibt es, die es in der Kunst des Reitens und an Schönheit vielleicht mit ihr aufnehmen könnte: ihre 18-jährige Nichte Marie Louise. Ihre Mutter war Schauspielerin, deshalb ist sie trotz der Eheschließung der Eltern nicht ganz standesgemäß und wird gerne herablassend „die kleine Baronesse“ genannt. Sisi nimmt die Nichte zu sich, reitet mit ihr und umspinnt sie mit Charme und Anforderungen. Denn zu den Wünschen dieser kaiserlichen Tante kann man natürlich nicht Nein sagen, unvorstellbar. Und dass eine Kaiserin Intrigen spinnt oder Menschen schikaniert? Aber nein, alle sind doch ihrem Charme erlegen. Auch Nichte Marie genießt die Zeit der großen reiterlichen Freiheiten und der Gunstbezeugungen, bis sie den Preis dafür bezahlen muss: die Ehe mit einem despotischen Nichtreiter, den die Kaiserin in ihrer großen Gnade für sie ausgesucht hat. Widerstand zwecklos. Und Sisi ist wieder die unangefochtene Königin der Pferde und ihrer Entourage.

Facettenreich und faszinierend

Karen Duve zeichnet hier ein Porträt der bekannten Kaiserin, weitab von den süßlichen Verfilmungen, in denen wir alle glaubten, Sisi kennengelernt zu haben. Allerdings hütet Duve sich davor zu vereinfachen, sie präsentiert die vielen Facetten eines Menschen, so wie sie tatsächlich überliefert sind. Sie habe viele Zitate verwendet, sich auf die ausführlichen Tagebücher der Hofdame Festetics gestützt, die Literaturliste im Anhang bezeugt die ausführliche Recherche.

Entstanden ist ein Roman, der fasziniert, auch weil die Leserin auf der Suche ist: Wie ist sie denn nun eigentlich wirklich, diese Kaiserin? Aber so einfach ist es eben nicht. Und ganz nebenbei lernen wir noch sehr viel über die Zeit und ihre alltäglichen Gewohnheiten, nicht nur bei Kaisers. Ein großer Lesegenuss!

Karen Duve. Sisi. Berlin: Galiani, 2022.

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar via NetGalleyDE!

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