Szenen einer Familie, in der Schildkröte Charly die Rolle des Familien-Maskottchens gespielt hat. Geheimnisse, Probleme, Lebensmomente. Zu ihrer Beerdigung bringt Charly die Familie wieder zusammen und ermöglicht einen neuen Zusammenhalt.
Zur Beerdigung der Schildkröte wollen sich die erwachsenen Kinder mit ihren Familien endlich mal wieder treffen im Haus der Eltern in Murnau, Frieda und ihrem zweiten Mann Heinrich. Er hatte einst die Schildkröte mitgebracht, als die kleine Karen einen seiner Wutanfälle mit einem gebrochenen Arm bezahlen musste. Karen akzeptierte diese Form der Wiedergutmachung, ihre kleine Schwester Nele hatte ihre anfängliche Sympathie für den neuen Mann ihrer Mutter da bereits aufgebraucht.
Kinder damals, Kinder heute
Zu den Kindern damals gehörte noch der ältere Bruder Mattis. Der ist heute Psychologe, nur seine eigene Familie durchschaut er nicht. Ehefrau Sanne, die Söhne Ben, Thomas und Tochter Lena scheinen ein anders Leben zu führen. Neben Nele, Mattis, Ben und Thomas bekommt auch Neles Adoptivsohn Max in diesem Roman eine Stimme, eine sehr andere und deshalb besondere. Max wird geplagt von Wutausbrüchen und zahlreichen Problemen, er besucht eine Sonderschule, wird gemobbt. Erst als er seine Kraft beim Ringen einsetzen kann, wird er „normaler“. Und doch hat er vielfach einen besseren Durchblick als die Erwachsenen.
Schlaglichter
In vielen einzelnen Szenen wirft Autorin Heike Duken Schlaglichter auf das Leben einzelner Familienmitglieder, besondere Momente werden herausgegriffen, scheinbar willkürlich durchgemischt und als buntes Mosaik präsentiert. Da geht es um den Einzug der Schildkröte ins Familienleben, um eine Fehlgeburt, um schwule Beziehungen und die Liebe zu einer jungen Türkin, die brutal vergewaltigt wurde, es geht um das Alter und das Bereuen, darum, wie man mit dem Leben zurechtkommt oder wann und warum man ihm ein Ende setzen möchte. Aber auch um einen Hund und eine Reise nach Australien …
Psychologisch ausgefeilt
Bei den vielen Zeit- und sonstigen Sprüngen kann man anfangs schon mal den Überblick verlieren, packend ist aber jede einzelne Szene, jedes einzelne Psychogramm, jeder einzelne Blick in die Probleme, mit denen sich die Familienmitglieder herumschlagen – in der Regel allein. Erst das Zusammentreffen bei Charlys Beerdigung deckt etliche Geheimnisse und Heimlichkeiten auf und scheint neue Gemeinsamkeiten möglich zu machen.
Besondere Leckerbissen
Wer in einem Roman ohne eine lineare Handlung glücklich werden kann, findet hier ein paar ganz besondere Leckerbissen! Autorin Heike Duken weiß als Psychologin nicht nur genau, worüber sie schreibt, sondern setzt das auch sehr gekonnt und wortgewandt in Szene.
Heike Duken. Wenn das Leben dir eine Schildkröte schenkt. München: Limes, 2019.
