Krimi, Portugal

Luis Sellano. Portugiesische Rache – Henrik Falkner 2 (2017)

Henrik Falkner, deutscher Ex-Polizist, lebt seit dem Sommer in dem Haus in Lissabon, das ihm sein unbekannter Onkel hinterlassen hat. Als in der Bar gegenüber ein Mann unter seinen Händen stirbt, weiß er, dass die ruhigen Wochen zu Ende sind …

Henrik Falkner hat sich in Lissabon und in seinem Erbe eingelebt. Wie vor ihm sein Onkel Martin wird auch er durch die Familie Joãos finanziert, im Gegenzug hat er sich verpflichtet, die Morde an João und damit auch an Martin aufzuklären. Allerdings scheint dies eher eine theoretische Verpflichtung – oder vielleicht auch ein Verhängnis, das über der ganzen Serie angelegt ist -, denn bis zum Herbst hat Henrik keine nennenswerten Versuche unternommen. Dafür hat er sich ganz gut eingelebt in Lissabon, ins Antiquariat und die Eigenheiten des ererbten Hauses und seiner Bewohner. Ein Schritt raus aus der Depression „hin zum Licht“, wie es so oft heißt, in Richtung Zufriedenheit.

Ein Buch als Mordmotiv?

Portugiesische Rache beginnt dramatisch: In der Bar stürzt ein Mann auf Henrik zu, der aus einer Stichwunde heftig blutet. Der Ex-Polizist versucht dem Verletzten zu helfen, zu spät hält er nach einem Verdächtigen Ausschau. Henrik weiß, dass seine ruhigen Tage zu Ende sind, denn der Verletzte hat kurz zuvor in seinem Antiquariat ein Buch gekauft. Das kann in einem Krimi natürlich kein Zufall sein, zumal die undefinierbare Bedrohung immer über Henrik und seinem Laden schwebt … Der Mann stirbt, wie sich herausstellt war Ruben Mendes ein IT-Spezialist aus Porto, ohne Anhang, eher unscheinbar. Doch irgendwo muss ein Motiv für den Mord zu finden sein und Henrik wird den Verdacht nicht los, dass das Buch aus seinem Antiquariat dabei eine wichtige Rolle spielt.

Die düstere Vergangenheit Portugals

Noch bevor der Hobby-Ermittler beschließen kann, dem Todesfall nachzugehen, ist er schon wieder in actionreichen Einschüchterungsversuchen gefangen. Die kleine Tochter der Polizistin Helena Gomes wird entführt, er wird verfolgt, bedroht, angegriffen, schließlich wird Henriks Mitarbeiterin Catia entführt, um die Herausgabe eines besonderen Buches zu erzwingen. Kurz nach Ruben Mendes war Nelson Pereira im Antiquariat erschienen, ein ehemaliger Offizier des Geheimdienstes während des Estado Novo. In den Zeiten der Diktatur unterstützte der Geheimdienst mit den üblichen grausamen Methoden den Erhalt der Macht. Einer der wenigen, die es wagten, sich zu widersetzen, war Ricardo Grão, sein Buch O fim do mundo scheint eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Pereira will dieses Buch mit allen Mitteln bekommen und er hat immer noch mächtige Unterstützer an vielen Stellen.

Die Schönheiten Lissabons

Immer wieder berichtet Helena Gomes aus den Ermittlungen der Polizei, heimlich, bei konspirativen Treffen, eine erzwungene Distanz, die Henrik langsam sehr bedauert. Neben dieser romantischen Komponente kommt mit dem Besuch von Henriks Vater Albrecht auch noch eine komische dazu – doch neben der Action, die Henrik wieder kreuz und quer durch Lissabon jagt, ist eigentlich nur die Stadt selber ein adäquater Partner in diesem Krimi. Wie im ersten Band finden sich wieder viele Beschreibungen, kurze Blicke in die Vergangenheit des Landes, die hier genauso als Hintergrund dient wie die Stadt selber. Am Ende findet Henrik natürlich Rubens Mörder, aber sonst klärt sich wieder wenig: Catia bleibt verschwunden, die ominöse allgemeine Bedrohung bleibt weiterhin. Lissabon scheint bei aller Schönheit ein undurchdringlicher Sumpf an Korruption und Intrigen, alte Seilschaften funktionieren immer noch und wer Fragen stellt, lebt gefährlich.

Verzerrtes Bild der portugiesischen Gegenwart?

Wie schon der erste Band der Serie liest sich auch dieser sehr gut, er ist spannend und lebendig geschrieben, bei allen Verfolgungen und geheimen Aktionen stellt man sich Fragen zur Logik vielleicht auch gar nicht erst. Mit Hilfe dieser allgemeinen und nicht näher definierten Bedrohung durch „die“ („die haben keine Namen“) kann Autor Sellano die Spannung auch aufrecht erhalten, ohne dass am Ende jedes Detail zum aktuellen Fall passen muss. Das ist allerdings auch etwas unbefriedigend und sieht sehr nach Paranoia aus.

Bei allen Schönheiten der Stadt, die Sellano beschreibt – was für ein Bild vom heutigen Portugal und den Portugiesen vermittelt er mit diesem Krimi? Ein etwas differenzierterer Blick wäre den Portugiesen und dem unbedarften Leser wirklich zu wünschen. Und würde auch dem Krimi guttun.

Luis Sellano. Portugiesische Rache. Ein Lissabon-Krimi. München: Heyne, 2017. (Henrik Falkner 2)

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar!

Mehr zum Autor und zur Serie auf der Autorenseite Luis Sellano.

Ein Gedanke zu „Luis Sellano. Portugiesische Rache – Henrik Falkner 2 (2017)“

Und was meinst du dazu?