Frankreich

Marie Lamballe. Das tiefe Blau des Meeres (2015)

Katharina von Staden ist Lehrerin für Französisch und Kunst an einer Gesamtschule in Frankfurt und fühlt sich bereits mit 27 Jahren im Beamtentrott gefangen. Als sie nach dem Tod ihres Vaters mehrere Mappen mit Aquarellen auf dem Dachboden ihres Elternhauses findet, ist sie von den kleinen Kunstwerken sofort fasziniert. Sie findet heraus, dass die Motive der Bilder reale Orte in der Bretagne darstellen und macht sich gemeinsam mit ihrem Freund Patrik auf den Weg.

Von ihrem noblen Hotel in St. Malo aus haben es die beiden Deutschen nicht schwer, das kleine Schlösschen zu finden, das auf den Aquarellen abgebildet ist. Der jetzige Besitzer, Ewan Goadec, ein eigenwilliger junger Mann, fasziniert Katharina sofort. Er zeigt der Deutschen bereitwillig das große Haus, das mittlerweile zum Verkauf steht. Mit dem Erbe von ihrem Vater könnte sie es sogar kaufen – aber das wäre natürlich Wahnsinn…

Von Paris in die Bretagne

Parallel erzählt der höchst unterhaltsame Roman die spannende Lebensgeschichte der Malerin der Aquarelle, Margot de Morand. Als Jüdin war sie mit ihren Eltern aus Nazideutschland nach Paris geflohen, alleine wollte sie die Überfahrt nach England wagen. Allerdings strandet sie in der Bretagne, wo sich der Landadelige Alan de Morand um sie kümmert und sich in sie verliebt. Doch Margot ist eine Frau mit einem eigenen Kopf und als ihre Eltern 1939 von einer Reise nach Frankfurt nicht nach Paris zurückkehren, macht sie sich auf den Weg um sie zu suchen.

Rettungsversuche

Wegen des Krieges gibt es keine direkten Zugverbindungen mehr, Margot muss über Belgien reisen. Aber auch hier gibt es Grenzkontrollen und Meldungen an die Gestapo, die die Jüdin am Bahnhof erwartet und festnimmt. Doch Margot gelingt die Flucht und findet einen unerwarteten Helfer, der sie in seinem Auto über die Grenze zurück nach Belgien bringt: den Wehrmachts-Offizier August von Staden, ein ehemaliger Student von Margots Vater. Kaum wieder bei Onkel und Tante in Paris angekommen, steht auch Alan vor der Tür und macht Margot einen Heiratsantrag. Selig folgt sie ihm in die Bretagne, aber natürlich gibt es im Krieg kein „happily ever after“. Alan wird einberufen, geht später in die Résistance als die Deutschen auch die Bretagne besetzen und Margot muss fürchten, dass sie als Jüdin enttarnt wird, auch wenn Alan für einen gefälschten Pass gesorgt hat.

Zwei Zeiten

Auf zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt Autorin „Marie Lamballe“ die Geschichten zweier Frauen, die natürlich verwandt sind, wie Katharina nach und nach herausfindet. Dabei sind die beiden Ebenen sehr unterschiedlich: die Grausamkeiten des Naziregimes und des Krieges bestimmen das Leben von Margot, zerstören ihre Liebe, lassen sie um ihr Leben fürchten. Doch sie hat Glück im Unglück, da sich für sie immer ein Retter findet, der sich natürlich in sie verliebt, immer im passenden Moment zur Stelle ist und dafür sorgt, dass die junge Frau einen sicheren Unterschlupf findet. So viel Zufall und Fürsorge …

Bemühte Gegenwart

In der Gegenwart ist die junge Katharina nicht nur auf der Suche nach der Malerin der Aquarelle und ihrer Geschichte, sondern sie muss auch mit anderen Problemen kämpfen: ihrer Langeweile und dem Überdruss am Schulbetrieb, den sozialen Konflikten unter den Schülern, ihr Dauerfreund Patrik, der den Tag mit Computerspielen verbringt, statt endlich sein Studium zu beenden oder sich im Haushalt nützlich zu machen, der neuen Liebe zu Ewan und zur Bretagne. Dabei werden in Katharinas Teil der Geschichte einige Details und Wendungen bemüht, die nicht wirklich nötig sind für den Plot. Vermutlich musste die Autorin diesen Erzählstrang strecken, damit er von der Länge her mit dem historischen mithalten konnte – aber das wirkt doch recht bemüht.

Liebe in Rosarot und Himmelblau

Insgesamt ist der Roman sehr unterhaltsam und flüssig zu lesen. Er punktet mit der spannend erzählten Lebensgeschichte von Margot und mit schönen Beschreibungen der Schauplätze in der Bretagne. Die Liebesgeschichten gehören bei einem Unterhaltungsroman für Frauen wohl dazu, aber sie sind entsetzlich rosarot und eindimensional dargestellt. Besonders hier verarbeitet die Autorin auch etliche Klischees, immerhin driftet sie nicht in totalen Kitsch ab. Den Protagonisten kann die Autorin eine gewisse Tiefe geben, leider fehlt gelegentlich die Konstanz und der Charakter einer Figur scheint sprunghaft oder ohne Grund verändert. Darunter leidet vor allem die Hauptfigur Katharina.

Unterhaltsamer Schmöker

Doch von einem Unterhaltungsroman sollte man auch nicht zu viel verlangen. Das tiefe Blau des Meeres ist auf jeden Fall ein sehr unterhaltsamer Schmöker, die 636 Seiten sind schnell verschlungen. Mitdenken muss man als Leserin nicht, man kann die Berieselung mit Spannung und fremden Gefühlen genießen, wenn man ein wenig Geduld mit Katharina hat.

Marie Lamballe. Das tiefe Blau des Meeres. Ein Bretagne-Roman. Köln: Bastei-Lübbe, 2015.

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