Frankreich

Nina George. Die Mondspielerin (2010)

Marianne ist 60 Jahre alt, als sie beschließt, dass es jetzt reicht. In Paris stürtzt sie sich von einer Brücke in die Seine – und wird gerettet. Leider. Am Krankenbett beschwert sich ihr Mann darüber, welche Unannehmlichkeiten sie ihm durch ihre Aktion verursacht habe … Also bleibt Marianne bei ihrem Entschluss, beim nächsten Mal klappt es. Es gibt da nur eine Kleinigkeit, die sie vorher doch noch gerne erledigen würde: das Meer sehen und vor allem den kleinen Ort Kerdruc in der Bretagne. Eine bemalte Kachel hat ihre Sehnsucht geweckt. Also macht sie sich heimlich auf den Weg.

Das Geld reicht nicht, um die gesamt Strecke mit dem Zug zu fahren. Doch auf ein paar Tricks kommt es Marianne jetzt nicht mehr an. Sie erreicht ihr Ziel und der kleine Ort erscheint ihr genauso malerisch und verzaubert wie in ihrer Vorstellung. Zufällig landet sie in der Auberge d’Ar Mor, wo Marianne für die neue Köchin gehalten wird. Da sie tatsächlich kochen kann, geübt während ihrer Jahrzehnte (kinderlosen) Hausfrauen-Daseins, und mit der Stelle ein Zimmer verbunden ist, sagt sie erst einmal zu. Umbringen kann sie sich auch morgen noch, denkt sie.

Marianne „findet sich selbst”

Bei diesem Vorsatz bleibt sie noch ein Weilchen, aber von Tag zu Tag kommt etwas dazwischen: neue Freunde, neue Erlebnisse, der Wunsch zu helfen, die Freude daran, etwas Neues (z.B. Französisch) zu lernen und sogar eine neue Liebe. Marianne fühlt sich in Kerdruc frei von allen Zwängen und Gewohnheiten, sie entdeckt ganz neue Seiten an sich, fühlt sich in Kerdruc endlich richtig “zu Hause”. Wozu natürlich die Menschen, die Landschaft und viele bretonische Mythen und Geschichten nicht unwesentlich beitragen.

Und als die Leserin (oder auch der Leser?) schon denkt “dies ist das Happy End”, kommt Mariannes Mann, um sie nach Hause zu holen. Ihr altes Leben fordert sie zurück. Der Ausflug war doch nur eine verrückte Träumerei…

Die Protagonistin

Dass hier eine wesentlich jüngere Autorin über eine 60-Jährige schreibt, merkt man nur an wenigen Stellen. Im Großen und Ganzen ist die Figur der Marianne recht glaubwürdig gestaltet. Allerdings können jüngere Leserinnen sich bestimmt kaum noch vorstellen, sich als Frau so viele Jahre zurückzunehmen und nur an die Wünsche des Ehemannes anzupassen. Eher eine Lektüre also für fortgeschrittenere Semester.

Etwas realitätsfern

Die Geschichte dieser Flucht ist gut erzählt, auch wenn natürlich vieles übertrieben bzw. dramatisch zugespitzt ist. So viele unglückliche Liebesgeschichten an einem Ort, die alle gleichzeitig ihr Happy End finden – na gut, jeder braucht wohl diese Hoffnung.

Auch dass Marianne ungewöhnliche Talente in sich entdeckt, die perfekt in die Bretagne und zu ihren neuen Freunden passen, so dass sie endlich “ihr” Leben leben kann – unrealistisch, aber auch davon träumen wir doch alle. Egal in welchem Alter. Und Nina George erzählt immer ohne Kitsch und Pathos so, dass der Leser / die Leserin Handlungen gut nachvollziehen und besonders mit Marianne mitfühlen kann.

Magische Bretagne

Absolut wunderbar ist auf jeden Fall die Bretagne dargestellt als eine Landschaft voller Schönheit, Magie und eigentümlichen, aber herzensguten Menschen. Und in der nicht ganz realistischen Handlung sind doch zahlreiche Weisheiten versteckt, die auch unserem Leben neuen Schwung oder mehr Zufriedenheit geben könnten.

Mein persönliches Fazit: Gute, einfühlsam erzählte Unterhaltung, ein wunderbarer Ausflug in die Bretagne, der gerne noch ein wenig länger hätte dauern dürfen, auch wenn ich mir bei der Handlung etwas mehr Nähe zur Realität gewünscht hätte.

Nina George. Die Mondspielerin. München: Knaur Verlag, 2010.

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