Deutschland

Sabine Bode. Das Mädchen im Strom (2017)

Das Mädchen im Strom heißt Gudrun Samuel, als 13-jährige schwimmt die Mainzerin gerne im Rhein zu einem der Schlepper, von dem sie sich dann ein Stück mitnehmen lässt. Gudrun ist mutig, selbstbewusst, schön – aber als Tochter einer reichen jüdischen Familie in der Zeit des Nationalsozialismus ist auch für sie ein normales Leben nicht möglich …

In ihrem ersten Roman erzählt die Sachbuchautorin Sabine Bode von dem Leben der Jüdin Gudrun Samuel aus Mainz. Sie beschreibt das Erwachsenwerden den jungen Mädchens, die erste große Liebe zu Martin Schubert, die bereits vom aufkommenden Rassismus der Nazis überschattet wird. Trotzdem halten die beiden zusammen, bis Martin nach Berlin geht, um Schauspieler zu werden, und der Kontakt langsam einschläft.

Flucht und Exil

Die Familie Samuel muss in eine kleine Wohnung in ein „Judenhaus“ umziehen, Gudrun versucht, trotz aller Widerstände eine Art Beruf zu lernen. Fast schon zu spät entschließt sie sich zur Flucht, doch Visa gibt es höchstens mit Bestechung. Allerdings fliegt sie auf und landet erst einmal im Gefängnis. Beinahe im letzten Moment gelingt ihr die Ausreise über die UdSSR in Richtung Shanghai. Sie meidet das Judenghetto, sondern sucht sich lieber selbständig ein Zimmer und Arbeit. Sie baut zum ersten Mal eine Praxis für Krankengymnastik auf, arbeitet als Schwimmlehrerin in einem exklusiven Club. Der letzte Job hilft ihr über die elende Zeit, in der zum Ende des Zweiten Weltkriegs auch in Shanghai alle Juden interniert wurden.

Zurück zu Normalität und Alltag

In die USA kann Gudrun, die sich schon lange Judy nennt, nicht mehr, aber über Umwege gelingt ihr die Ausreise nach London, wo sie sich ein eigenes Leben aufbaut. Sie führt eine unkonventionelle, aber sehr glückliche Ehe, trotzdem kämpft sie mit Depressionen. Immer wieder reist sie nach Mainz, wo sie sich immer noch, trotz allem, zu Hause fühlt. In den siebziger Jahren schließlich ziehen sie und ihr Mann ganz zurück nach Mainz. Auf den letzten Seiten des Romans nehmen die Briefe, die Gudrun mit ihrer Schulfreundin Margot wechselt, einen großen Raum ein, obwohl sich beide seit Schulzeiten nicht mehr gesehen haben.

Roman?

Das Mädchen im Strom wird als Roman verkauft. Aber ist es wirklich einer? Die Geschichte der Jüdin Gudrun Samuel ist auf jeden Fall dramatisch, doch das liegt einfach an den historischen Gegebenheiten, nicht an der erzählerischen Kompetenz. Als Leser merkt man, dass Autorin Sabine Bode bereits mehrere Sachbücher zum Thema veröffentlicht hat. Auch diese Geschichte erzählt Bode eher sachlich und distanziert, aber routiniert und mit einer gewissen Eleganz. Doch eine unmittelbare Identifikation der Leserin mit der Protagonistin wäre schwierig, was angesichts des Schicksals von Gudrun/Judy aber vielleicht auch gar nicht so schlecht ist. Der Inhalt des Romans ist so spannend und dramatisch, dass erzählerische Raffinessen vielleicht auch zu viel wären? Meiner Ansicht nach passt die nüchterne Erzählweise hervorragend zu den dramatischen Ereignissen, auch wenn ich mich während des Lesens häufig gefragt habe, ob ich einen Roman lese oder ein Sachbuch, eine Art romanhafte Biografie vielleicht … Das Mädchen im Strom ist literarisch gesehen kein großer Wurf, wegen des Inhalts aber auf jeden Fall eine sehr gute Lektüre.

Sabine Bode, Jahrgang 1947, begann ihre berufliche Laufbahn als Redakteurin bei einer Kölner Zeitung. Seit 1978 arbeitet sie als freie Journalistin und Sachbuch-Autorin. Das Mädchen im Strom ist ihr erster Roman.

Sabine Bode. Das Mädchen im Strom. Stuttgart: Klett-Cotta, 2017.

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar!

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