Deutschland

Ulrike Draesner. Spiele (2005/2022)

Der Terroranschlag bei den Olympischen Spielen in München 1972 ist hier das Thema eines Romans, der 2022 mit Recht noch einmal neu aufgelegt wurde.

1972 war Protagonistin Katja zwölf Jahre alt und erlebte als Münchnerin die Spiele teilweise mit, samt bangem Warten vor dem Fernseher, wie die Geiselnahme wohl ausgehen werde. Aber es ist für Katja eben auch ein Jahr, in dem sie ihre erste Liebe erlebt und den ersten Verrat und Kummer. In dem auch ihr Vater, schon lange Witwer, eine neue Liebe findet, ausgerechnet im Olympiastadion. Eine Stiefmutter will Katja nicht. Wie der Münchner Alltag mit den Olympischen Spielen in der Stadt ausgesehen hat, ist schon ein eindrucksvoll authentisch wirkender Anfang des Romans.

Heute

Dreißig Jahre später, Katja reist inzwischen als Fotografin um die Welt, holt sie die Vergangenheit ein. Sie stellt fest, dass zu vieles an diesem Jahr für sie nicht geklärt ist. Zum einen mit ihrer damaligen Liebe Max, der als junger Polizist bei der versuchten Geiselbefreiung verletzt wurde, zum anderen mit eben jenen Vorgängen damals. Was ist wirklich passiert? Zu vieles scheint Katja vertuscht und im Dunkeln, in den Medien tauchten immer nur Bruchstücke auf.

Recherchen

Katja kehrt nach München zurück und macht sich an eine gründliche Recherche, versucht, an alte Akten zu kommen, alte Filme und Augenzeugen-Berichte aufzustöbern. Dabei wird das Geschehen deutlicher, wie viel im Roman auf Tatsachen beruht und wo die Fantasie der Autorin sich auf Wahrscheinlichkeiten stützt, ist nicht immer ganz klar. Aber auf jeden Fall hochspannend!

Ganz nebenbei findet Katja in einem Bibliothekar eine überraschende neue Liebe, glücklicherweise nicht in Rosarot, sondern mit sehr menschlichen Problemen und Eigenarten.

Eindringlich und erhellend

Auch 50 Jahre nach diesen Olympischen Spielen in München schafft es dieser grandiose Roman spielend, seinen Leserinnen und Lesern klar zu machen, dass dieser Terroranschlag wichtig war. Dort lag der eigentliche Beginn eines weltweiten Terrorismus, der am 11. September 2001, also vermutlich kurz vor der Entstehung des Romans, die ganze Welt geschockt hat. Und dafür, dass solche historischen Ereignisse für das Leben eines Einzelnen wichtig sein können, auch wenn er oder sie nicht zu den Opfern gehört, gibt Draesners Protagonistin Katja ein eindringliches Beispiel ab.

Ich hoffe, der Roman findet jetzt als Taschenbuch und E-Book noch viele neue Leser!

Ulrike Draesner. Spiele. München: Luchterhand, 2005./Taschenbuch + E-Book: Penguin, 2022.

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