Deutschland

Ursula Schröder. Alles auf Anfang, Marie (2012)

Unter dem Titel Alles auf Anfang, Marie, der letztens auf dem Wühltisch in der Buchhandlung lag, erwartet man die üblichen Liebeswirren einer Twentysomething – und wird enttäuscht.

Marie Overbeck ist 52, gutsituierte Hausfrau und Mutter. Jedenfalls bis Sohn Christoph auszieht, mit 23 nicht ganz unerwartet, aber doch zu früh. Mutter Marie sieht das leere Nest und das berüchtigte Loch, weigert sich aber, hineinzufallen. Organisiert erwägt die reiche Gattin ihre Optionen: Ehrenamtliches Engagement oder Hinwendung zu den schönen Künsten? Eine zündende Idee hat sie nicht.

Sozialromantik

Und noch bevor sie diese Fragen systematisch erörtert, läuft ihr Kevin über den Weg. Seine Familie braucht Hilfe und blauäugig, aber mit viel Herz, stürzt sich Marie in diese Aufgabe. Reiche, gelangweilte Ehefrau lebt ein wenig Sozialromantik.

Pflichtbewusste Gattin

Doch ihre Unterstützung stößt auf viel Kritik, Dankbarkeit bekommt sie nicht. Und so erkennt sie dann doch, dass sie nicht wirklich eine Veränderung in der Familie bewirken kann. Ein wenig – sehr zivilisierter – Streit mit ihrem Mann begleitet das Geschehen.

Am Ende vergisst Marie aber alle Überlegungen zu einem sinnvollen Zeitvertreib und beschließt, dass sie auf jeden Fall ihrem Mann zur Seite stehen muss. Auch wenn das bedeutet, die nächsten zwei bis drei Jahre in der chinesischen Provinz den Haushalt und die Langeweile zu pflegen.

Guter Erzählstil

Die Sprache des Romans ist sehr gut, ein ruhiger, logischer Erzählfluss und nett gezeichnete Figuren machen das Buch gut lesbar. Auch der Ansatz der Handlung ist interessant: Eine Frau um die 50 will sich neu orientieren, nachdem die Familienpflichten erledigt sind. Die Ehe ist noch ziemlich intakt, dieses Klischee bemüht Ursula Schröder nicht.

Brav und bieder

Doch der Rest der Geschichte spricht wohl nur eine Minderheit an: Marie lebt so komfortabel, Geldverdienen ist gar nicht erst ein Thema. Die Ehe funktioniert, auch wenn ihr Mann nur selten zu Hause ist. Auch die typischen Sorgen der Frauen ihres Alters hat sie nicht, keine Probleme mit der Figur oder dem Älterwerden, die Wechseljahre nimmt sie gelassen. Maries Leben ist absolut perfekt, die Ärmste hat nur zu viel Zeit und zu viel Geld zur Verfügung! Wie viele Leserinnen gibt es, die das nachvollziehen können? Und die selbst dann noch Verständnis aufbringen, wenn Marie am Ende wieder ganz zur pflichtbewussten Gattin wird und alle eigenen Wünsche und Vorstellungen ihrem Mann zuliebe aufgibt? Vermutlich nicht sehr viele, sonst wäre das Buch wohl nicht auf dem Wühltisch gelandet.

Ursula Schröder ist Jahrgang 1957 und hat bereits mehrere Romane bei dtv veröffentlicht.

Ursula Schröder. Alles auf Anfang, Marie. München: dtv, 2012.

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