ausgezeichnet, Krimi, Schweden

Åsa Larsson. Weiße Nacht – Rebecka Martinsson 2 (2006)

Mittsommer im hohen Norden Schwedens, gleich im ersten Kapitel verübt ein „Ich“ einen Mord. Die Tote ist die Pastorin Mildred Nielsson, sie wird wenig später in der Kirche erhängt aufgefunden. In ihrer Gemeinde hatte sie sich viele Feinde gemacht – trotzdem schleppen sich die Ermittlungen erst einmal hin. Bis im September Rebecka Martinsson wieder nach Kiruna kommt …

Pastorin Mildred Nielsson hat in den fünf Jahren, die sie in der Gemeinde arbeitete, polrisiert: Einerseits begeisterte sie viele Frauen zur Mitarbeit im Frauennetzwerk Magdalena, setzte sich für misshandelte Frauen ein, bewegte vieles in der Gemeinde. Andererseits machte sie sich mit ihrem kompromisslosen Engagement auch viele Feinde, zum Beispiel innerhalb der Jagdgesellschaft, die auf Kosten der Kirche zahlreiche Privilegien genoss. Zu Unrecht, wie Mildred Nielsson fand. Das Geld solle besser dem Schutz einer Wölfin zugutekommen, die wohl in der Nähe gesichtet wurde. Womit sie sich auch in Kirchenkreisen keine Freunde machte.

Psychischer Ausnahmezustand

Während sich Polizeiinspektorin Anna-Maria Mella und ihr Kollege Sven-Erik Stålnake den Sommer über vergeblich bemühen, den Mord aufzuklären, kämpft Anwältin Rebecka Martinsson immer noch mit den psychischen Folgen aus dem ersten Band: In Notwehr hatte sie drei Männer getötet, um sich und zwei Kinder zu retten. Doch seitdem kann sie nicht mehr wirklich arbeiten, ist krankgeschrieben, hat sich verkrochen. Jedes Zusammentreffen mit Menschen ist für sie eine Herausforderung.

Dämonen oder Heimat?

Hin und wieder übernimmt Rebecka Martinsson kleine Arbeiten für ihre Kanzlei. Und als man sie bittet, einen Kollegen nach Kiruna zu begleiten, wo beide mit der Kirche über eine zukünftige Zusammenarbeit beraten sollen, stimmt sie zu. Ein Versuch, ihren Dämonen zu begegnen … Was sich für Rebecka dann als möglich erweist, mit dem Wald verbindet sie viele Kindheitserinnerungen und auch ein Gefühl von Heimat. Sie ertappt sich bei dem Gedanken, ob sie zurückkehren könnte, ob sie hier im Norden besser leben könnte als in Stockholm. Mit dem geistig behinderten Teddy ist für sie zum ersten Mal nach langer Zeit so etwas wie Freundschaft möglich.

Psychologischer Roman?

Die psychischen Probleme Rebeckas nehmen in diesem Krimi einen sehr großen Raum ein. Auch die Sprache, der Erzählstil passt dazu, häufig geradezu im Stakkato erzählt, assoziativ in Bildern und Erinnerungen – was nicht nur Rebecka betrifft, sondern alle Figuren des Romans. Das gibt ihnen allen einen Charakter, Eigenheiten, eine prägende Vergangenheit und entwirft ein Bild einer Gemeinschaft, die in der unwirtlichen Natur und im rauen Klima des Nordens voneinander abhängig zu sein scheinen. Als psychologischer Roman mit kleiner Krimihandlung als zuspitzendes Element liest sich dieses Buch wirklich gut. Allerdings wirkt es in weiten Teilen so, als werden zwei Geschichten recht unabhängig voneinander erzählt, denn Rebecka leistet eigentlich nur einen winzigen Beitrag dazu, dass die Ermittlungen wieder in Gang kommen. Oder drei Geschichten: Immer wieder sind kleine Kapitel über die Wölfin „Gelbbein“ eingeschoben, Naturbetrachtungen als Allegorie im Krimi? Auch wenn es an manchen Stellen recht brutal zugeht, durchbricht dieser Roman immer wieder die üblichen Standarderwartungen an einen Krimi – im positiven Sinne, wenn man sich darauf einlassen kann.

Ausgezeichnet mit dem Schwedischen Krimipreis.

Åsa Larsson. Weiße Nacht. München: Random House, 2006. | Original: Det blod som spillts. Stockholm: Bonniers, 2004. Übersetzung Gabriele Haefs.(Rebecka Martinsson 2)

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar!

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