Krimi, Schweden

Håkan Nesser. Mensch ohne Hund – Barbarotti 1 (2007)

Kurz vor Weihnachten bei Familie Hermansson in Kymlinge: Zur gemeinsamen Geburtstagsfeier von Vater Karl-Erik und Tochter Ebba kommt die gesamte Familie zusammen. Doch Harmonie geht anders. Erst verschwindet Sohn Walter, in der nächsten Nacht auch noch Ebbas fast erwachsener Sohn Henrik. Der erste Fall für Inspektor Gunnar Barbarotti.

Vater Karl-Erik, frisch pensionierter Lehrer, feiert seinen 65. Geburtstag, gemeinsam mit dem 40. der ältesten Tochter Ebba, einer erfolgreichen Ärztin. Dazu kommen die drei Kinder wieder nach Kymlinge, neben Edda auch Walter, der vor Kurzem in einer Reality-Show traurige Berühmtheit erlangte, und die jüngste Tochter Kristina. Sie bringt ihren Mann Jakob und Sohn Kelvin mit, die älteste Schwester Ebba Ehemann Leif und die Söhne Henrik und Kristoffer.

Familientreffen

Zum Familientreffen kommen alle und spielen ihre Rollen so gut es geht – Mutter Rosemarie spürt die Heuchelei, kann selbst aber auch nichts anderes tun, als so gut es geht zu funktionieren. Der Vater hat sich gerade entschlossen, nach Spanien umzusiedeln, um der Schande zu entgehen, die Sohn Walter durch seinen Fernsehauftritt über die Familie gebracht hat. Eine Schande, über die man aber am besten nicht spricht in der Familie. Dass Walter zwar angereist ist, aber am großen Festtag nicht auftaucht, wundert da niemanden wirklich, ist es doch allen lieber, dass er sich unsichtbar macht. Vermutlich versteckt er sich bei einem alten Schulfreund.

Spurlos verschwunden

Als allerdings am Tag darauf auch Henrik verschwunden ist, gerät die Familie doch in Aufruhr. Für sein Verschwinden scheint es keinen Grund zu geben, auch ein Zusammenhang mit Walter kann niemand erkennen. Auch nicht Inspektor Gunnar Barbarotti, der den Fall übertragen bekommt. Es gibt schlicht keine Hinweise – und die, die die Familie geben könnte, werden verschwiegen. So kommt Barbarotti monatelang nicht weiter, erst ein Unfall in Oslo bringt ein wenig Licht ins Dunkel …

Krimi ohne echte Ermittlungen

Wer hier einen klassischen Krimi erwartet, wird auf jeden Fall enttäuscht. Es gibt zwar einen Ermittler, aber eigentlich keine Ermittlungen, und besonders viel Raum wird diesen auch nicht eingeräumt. Der Fokus des Autors liegt auf den Menschen, die von dieser Katastrophe betroffen sind, die an ihrem Kummer fast zugrunde gehen, die mit einer Schuld kämpfen oder auch nur mit der Ungewissheit. Das schildert Nesser ausführlich, er verfolgt die Entwicklungen sogar über einen verhältnismäßig langen Zeitraum, den es braucht, bis jemand aus der Familie die Wahrheit herausfindet und sich rächen will.

Psychologische Familienstudie

Krimispannung findet man in diesem Roman eher wenig, eigentlich weiß man als Leserin auch bereits, wo die beiden Verschwundenen abgeblieben sind. Die Stärke des Romans liegt klar in seiner psychologisch starken Darstellung der Betroffenen, ihrem Umgang mit Verlust oder Schuld. Für meinen Geschmack bleibt dies trotz allem ein bisschen zu klinisch distanziert, der Leser wird zum Voyeur gemacht statt zu einem Mitfühlenden.

Håkan Nesser. Mensch ohne Hund. München: btb, 2007. | Människen utan hund. Stockholm: 2006. (Inspektor Gunnar Barbarotti, 1)

Mehr zum Autor und seinen Büchern auf der Autor:innen-Seite Håkan Nesser.

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