Unterhaltung, USA

Laura Dave. Ein wunderbares Jahr (2015)

Titel und Cover verheißen einen leichten Frauenroman, eine Sommerliebe und (voraussichtlich) ein Happy End. Eine Verheißung, die nicht erfüllt wird. Der Titel passt gar nicht zum Inhalt (zwei problembeladene Wochen) und das Cover… vielleicht sind das Weinbergpfirsiche? Allerdings wären die Trauben des Covers der Originalausgabe bei Weitem passender gewesen.

Der Roman stürzt den Leser gleich mitten ins Geschehen: Georgia hat eine stundenlange und tränenreiche Autofahrt hinter sich, als sie in ihrem Heimatort und in der Bar ihres Bruders Finn ankommt. Was so dramatisch ist, ahnt die Leserin am Ende des Kapitels, denn Georgia trägt ein Brautkleid. Allerdings ist sie nicht von ihrer Trauung getürmt, sondern schon bei der letzten Anprobe des Kleides. Von ihrem Podest hat sie nämlich ihren Verlobten gesichtet, der mit einer Frau und einem Kind auf der Straße spaziert. Und das kleine Mädchen nennt ihn “Daddy”… Georgia flüchtet.

Konflikte und Weinbau

Die heile Welt ihrer Kindheit findet sie allerdings auf dem Weingut ihrer Eltern nicht mehr. Ihre Mutter hat eine Affäre, die Trennung der Eltern ist beschlossene Sache, ihr Vater will das Weingut verkaufen. Und auch die Brüder Finn und Bobby haben ihre Probleme, vor allem miteinander. Zudem steht die Weinlese bevor, Erntefeste und die Vorbereitungen für Georgias Hochzeit laufen ungerührt weiter.

Ich will meine heile Welt zurück!

Während Georgia sich fragt, ob sie Ben noch vertrauen kann – sie würde ungern auf die geplante Zukunft in London verzichten – wühlt sie sich durch das Chaos ihrer Familie. Jeder hat hier etwas zu verbergen, hat seine eigenen Pläne und Gründe, die Georgia ans Licht bringen will. Allerdings hat sie keine Ahnung, wie man so etwas am Besten macht, sondern sie stolpert ungelenk durch die Handlung und ihre Familie. Ihr eigenes Dilemma wäre eigentlich dramatisch genug, doch entscheiden kann sie sich nicht, sie scheint nicht einmal darüber nachzudenken, während die Hochzeitsvorbereitungen weiter laufen. Dabei glaubt Georgia genau zu wissen, was das Beste für die anderen Familienmitglieder ist… womit sie nur teilweise Recht behält.

Weder logisch noch emotional

“Chaos” und “stolpern” sind gute Stichworte, um den Roman zu beschreiben. Ein sauberer Handlungsstrang fehlt, er ist ausgefranst, zerfleddert, löchrig. Georgia wird, nach ihrer emotionalen Flucht am Anfang der Geschichte, zunehmend blasser als Figur, ihre Handlungen scheinen wenig zielgerichtet, ihr Denken ist nicht logisch (dabei ist sie angeblich Anwältin), doch ihre Gefühle befassen sich nur mit dem Auseinanderbrechen ihrer Kinder-Heile-Welt, aber kaum mit ihrem Verlobten Ben. Eigentlich bleiben alle Konflikte seltsam blass, Georgia berichtet von ihnen und von den Ereignissen dann doch eher distanziert, höchstens mit kindlich anmutender Empörung.

Sprache oder Übersetzung?

Über die Sprache des Romans bin dann ich laufend gestolpert. Sie ist oft holprig, oft muss man kurz überlegen, wer jetzt etwas sagt oder was er damit meinen kann oder warum eigentlich gerade … Liegt es an der Übersetzung oder ist die Sprache des amerikanischen Originals ähnlich? Ist es ein nicht ganz gelungener Versuch, gängige sprachliche Klischees zu vermeiden?

Die geweckten Erwartungen nicht erfüllt

Eine locker-leichte Frauenlektüre mit den üblichen Versatzstücken ist dieser Roman keinesfalls. Ein großes Thema ist der Weinanbau, daneben eigentlich Georgias merkwürdige und unkoordinierte Vorgehensweise, um erwachsen zu werden, indem sie vergeblich versucht, ihre Kinderwelt wieder herzustellen. Eine Spannungskurve fehlt, die Handlung stolpert wie Georgia so dahin. Auch die Sprache ist oft holprig.

Wäre die Leserreaktion eine andere gewesen, wenn Cover und Titel andere, “passendere” Erwartungen geweckt hätten?

Am Ende der Lektüre bleibt nicht Georgia im Gedächtnis, sondern eine Frage: Wie zum Teufel ist irgendjemand auf diesen Titel gekommen? Der ist sehr weit hergeholt …

Laura Dave. Ein wunderbares Jahr. München: Blanvalet, 2015. | 800 Grapes. New York: Simon & Schuster, 2015. Übersetzung Ivana Marinovic.

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar.

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