Australien

Sarah Armstrong. Nachts schwimmen (2015)

In Nachts schwimmen erzählt die Australierin Sarah Armstrong die Dreiecksgeschichte dreier wirklich sympathischer und “guter” Menschen – die trotzdem voller Lügen ist und recht dramatisch endet. Der Originaltitel verrät mehr über den Inhalt des Romans als der deutsche Titel: His Other House.

Journalistin Rachel ist aus der Großstadt nach Hause gekommen, um sich um ihre Mutter zu kümmern, die im Sterben liegt. Der Arzt Quinn betreut sie und ist gleichzeitig der neue Nachbar. Er wohnt und arbeitet nur an zwei Tagen in der Woche in dem kleinen Ort, ansonsten praktiziert er in Brisbane. Wo er mit Marianna verheiratet ist, deren Leben sich seit Jahren nur darum dreht, schwanger zu werden. Gerade hatte eine Fehlgeburt wieder einmal alle Hoffnungen zerstört.

Aus Rücksicht auf Marianna

Die Ehe von Quinn und Marianna leidet unter ihrem zwanghaften Kinderwunsch, unter solchen Bedingungen will Quinn kein Kind. Doch er schafft es seiner Frau gegenüber nur von einer “Pause” zu sprechen, weil er sieht, dass er ihr Leben zerstören würde. Die erste der Lügen? Gut gemeint, weil er seine Frau nicht mehr als nötig verletzen will?

Verbotene Leichtigkeit

Die Leichtigkeit, die in der Ehe mit Marianna verloren gegangen ist, findet er wieder in der Beziehung zu Rachel. Ein nächtlicher, verbotener Besuch im städtischen Schwimmbad, bei dem beide sich treffen, ist bezeichnender Ausgangspunkt für die Beziehung. Dabei sucht Rachel anfangs nur Ablenkung vom emotionalen Stress wegen der Krankheit ihrer Mutter, für Quinn ist es Liebe. Und so gibt er sein anfängliches Zögern schnell auf: Bei der nächsten Gelegenheit will er die Ehe mit Marianna beenden.

Doch diese Gelegenheit scheint nie zu kommen, obwohl Quinn unter einem schlechten Gewissen leidet. Als Rachel eine Entscheidung fordert, ist es endlich so weit – doch da verkündet Marianna eine erneute Schwangerschaft.

Quinn hat sich arrangiert

Sechs Jahre später haben beide Frauen ein Kind: Quinn ist Vater von Adie und Ned. Er hat gelernt, mit seinem schlechten Gewissen zu leben, weil er nicht riskieren will, den Kontakt zu seiner Tochter Adie zu verlieren. Emotional fühlt er sich eher bei Rachel und Ned zu Hause. In gewisser Weise hat er sich in seinen Lügen eingerichtet. Doch Rachel will nicht mehr die geheime Geliebte sein und beginnt, offen über ihre Beziehung zu Neds Vater zu reden. Als Quinn merkt, dass das Gerede so früher oder später auch bei Marianna ankommen wird, sagt er ihr endlich die Wahrheit.

Das Leben ein Lügengespinst?

Mit dieser Wahrheit haben dann besonders die beiden Kinder zu kämpfen, von ihren Müttern und auch von Quinn aufmerksam beobachtet. Jeder versucht die Kinder zu schonen, ihnen Liebe zu geben – das Leben dreht sich nur noch um Adie und Ned. Und Quinns Hoffnung, nach diesem lange gefürchteten Schnitt mit Marianna, mit Rachel glücklich zu werden, erfüllt sich nicht.

Der Mann ist nicht grundsätzlich schlecht

Richtig oder falsch? Ist die Wahrheit immer besser als eine fromme Lüge, um den anderen zu schonen? Beantwortet werden diese Fragen im Roman eigentlich nicht. Sarah Armstrong zeigt wie ein guter Mensch, ein einfühlsamer Arzt, ein “Kümmerer” zu einer “Zweitfamilie” gelangen kann, ohne dass er dies jemals wollte. Ist Quinn zu feige, die Wahrheit zu sagen? Oder will er seine Frau nicht verletzen, nicht für einen Zusammenbruch verantwortlich sein? Als intelligenter und sensibler Mensch weiß er jederzeit genau, wie falsch sein Doppelleben ist, und trotzdem findet er nicht den Mut- oder nicht die Grausamkeit, seine Frau zu verletzen…

Nicht verpassen!

Als Leser versteht man das Dilemma sofort, so nah an ihren Figuren erzählt Armstrong ihre Geschichte. Einfühlsam, eindringlich, emotional, dabei sehr gut zu lesen, auch unterhaltsam und spannend. Die Figuren werden sehr lebendig, als Leser kann man nachvollziehen, warum Quinn in einer Situation genau so handelt – alles ist sehr plausibel ohne in Klischees zu verfallen und ohne dem Leser ein Urteil aufzudrängen. Ein wunderbarer Roman, den ich jedem ans Herz legen möchte!

Sarah Armstrong. Nachts schwimmen. München: Diana, 2015. | His Other House. Sydney: Pan Macmillan, 2015. Übersetzung Ute Brammertz.

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar der deutschen Ausgabe.

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